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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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die Weißen kommt, wird das schwerwiegende Konsequenzen für uns alle haben, das weißt du. Für einen Verstoß gegen den Vertrag von Waitangi würden sich die Weißen furchtbar an uns rächen.«
    Ein gequälter Ausdruck erschien auf dem Gesicht des ariki . »Wenn die Zeit gekommen ist, musst du dich entscheiden. Entscheide weise, mit dem Blick auf alle Menschen, die dir am Herzen liegen.«
    Henare presste die Lippen zusammen. Natürlich meinte sein Vater damit, dass er sich mit seinem Weggang gegen den Stamm gestellt hatte. Als er wieder vor die Hütte trat, hatte er das Gefühl, einen Stein verschluckt zu haben. Er hätte es als leere Drohung abtun können, als Versuch seines Vaters, ihn zu seinem Stamm zurückzuholen und ihn an einen Platz zu setzen, an dem er nicht sein wollte. Doch der ariki hatte recht. Wenn Mani Häuptling wurde, würde er sich von seinem Hass und seinem fehlgeleiteten Ehrgeiz zu Aktionen hinreißen lassen, die dem Stamm schadeten.
    Nur, was sollte er tun?
    Selbst wenn er sich zur Wahl stellen würde, hieße das noch lange nicht, dass die Stammesmitglieder mit ihm einverstanden wären. Außerdem hieße es klein beigeben, und alles, was er sich bisher aufgebaut hatte, wäre umsonst gewesen. Das wollte er auf keinen Fall.
    Auf dem Weg zu seinem Pferd fürchtete er beinahe, wieder dem Heiler zu begegnen, doch niemand stellte sich ihm in den Weg. Dafür meinte er, scheele Blicke in seinem Rücken zu fühlen, Blicke, die ihm Rücksichtslosigkeit vorwarfen, weil er nicht bereit war, dem Wunsch seines Vaters nachzukommen.
    Erst als er wieder im Sattel saß und sein Pferd durch den Busch lenkte, verging das Gefühl und sein Kopf wurde wieder frei, um sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sein Vater hatte die Zustimmung gegeben! Natürlich würde sich Caldwell darüber wundern, hatte er doch nicht die leiseste Ahnung, dass der ariki Henares Vater war. Doch letztlich war es egal: Zustimmung war Zustimmung, und er kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass er sein einmal gegebenes Wort nicht zurückziehen würde.

15
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, fühlte sich Lillian wie gerädert. Unterwegs hatte sie die Anstrengung vor lauter Aufregung kaum mitbekommen, doch nun schmerzten ihre Glieder, als sei sie aus großer Höhe heruntergestürzt.
    Sie wollte sich schon schwören, nie wieder auf einen Pferderücken zu steigen, doch dann fiel ihr ein, dass sie nur mit Pferden einigermaßen schnell zur Baustelle gelangen konnte. Ihr würde also gar nichts anderes übrig bleiben, als sich daran zu gewöhnen, wenn sie ihren Großvater auch nach Baubeginn noch sehen und unterstützen wollte.
    Gegen den Schmerz ankämpfend, erhob sie sich, verrichtete ihre Morgentoilette und zog sich dann an. Da ihre Vorräte zur Neige gingen, entschloss sie sich, gleich in die Stadt zu gehen und ein wenig einzukaufen. Noch war ihr Großvater nicht auf den Beinen; vielleicht konnte sie ihn mit einem guten Frühstück überraschen.
    Mit sauberer Schürze und frisch gerichteter Frisur schlenderte Lillian die Straße entlang in Richtung Main Street. Dabei kamen ihr unentwegt Bilder des vergangenen Ausflugs in den Sinn. Wie sehr sich die Maori von den Weißen doch unterschieden! Wie ruhig sie doch leben im Gegensatz zu uns, dachte Lillian, während sie, an der Hauptstraße angekommen, einem Fuhrwerk nachsah, das in Richtung Norden davonpreschte.
    »Ah, da ist ja die kleine Sternenguckerin«, tönte eine Stimme in ihrem Rücken, gefolgt von Gelächter.
    Lillian erstarrte sofort und wandte sich um. Rosie und ihre Mitstreiterinnen grinsten sie an.
    »Benimm dich, Rosie!«, fuhr Samantha ihre Freundin an und trat zu Lillian.
    »Du hättest es mir ruhig erzählen können.«
    Um ein Haar hätte Lillian »Was denn?« gefragt, doch rechtzeitig genug klappte sie den Mund wieder zu, bevor sie sich komplett lächerlich machte. Sie mussten es irgendwie rausbekommen haben. Aber wie? Hatte Caldwell etwas erzählt? Oder hatte Mrs Peters ihre Abwesenheit genutzt, um Tratsch über sie zu verbreiten?
    »Dein Großvater will eine Sternwarte errichten, oder etwa nicht?«, mischte sich Rosie mit leuchtenden Augen ein. Offenbar hatte sie in Lillian endlich etwas gefunden, über das sie den ganzen Tag spotten konnte.
    In Lillian stieg plötzlich der Zorn hoch. Wieder einmal fragte sie sich, warum sie dieser Gruppe an ihrem ersten Tag in der Stadt überhaupt gefolgt war. Und warum sie Samantha nicht weggeschickt hatte, als diese sich

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