Der Rote Mond Von Kaikoura
Land tauschen möchte.«
»Ja, das ist er«, entgegnete ihr Großvater. »Mr Caldwell hat mir ein Telegramm geschickt. Es ist eingetroffen, kurz nachdem du weg warst.«
»Was hat Mr Caldwell geschrieben?«, fragte Lillian, froh darüber, kurz von dem Gedanken über Ravenfields Absichten abgelenkt zu werden.
»Dass wir gute Aussichten haben, das Land zu bekommen. Genaueres soll mir Mr Arana morgen mitteilen.«
»Du lädtst ihn doch diesmal hierher ein, oder?«
»Ich werde wohl nicht anders können«, entgegnete ihr Großvater lächelnd; dann fragte er: »Hat Mr Ravenfield irgendwas erzählt, was ich noch nicht weiß?«
»Im Großen und Ganzen hat er auch nur gesagt, dass die Chancen gut stehen. Er bietet den Maori zum Tausch gutes Land an, und wahrscheinlich wird der Häuptling einschlagen. Wusstest du, dass Caldwell und er ausgemacht haben, ihn erst als den Spender zu benennen, wenn die Sache so gut wie ausgemacht ist?«
»Das habe ich mir gedacht. Caldwell mag ein guter Physiker sein, ein guter Geheimniskrämer ist er jedenfalls nicht. Irgendwas war da im Busch, und man muss schon sagen, dass er ein netter Kerl ist, wenn er uns vor einer Enttäuschung bewahren wollte. Was ja absolut nicht nötig war.«
»Das sehe ich genauso, er hätte uns ruhig sagen können, wer der Gönner war«, pflichtete Lillian ihm bei, doch dann fragte sie sich, ob dieser Abend dann genauso gut verlaufen wäre, wie er es getan hatte. Nicht nur die Geschichte über Rosies Tante hatte sie aufgemuntert, ganz besonders schön war die Nachricht gewesen, dass ihr Großvater bald schon mit dem Bau der Sternwarte beginnen konnte.
Als sie schließlich hundemüde ins Bett fiel, schwirrte ihr Kopf. Eigentlich hätte sie aufbleiben sollen, um Adele zu schreiben, doch ihr war es jetzt lieber, sich ihren Träumen hinzugeben. Noch einmal über die Tanzfläche zu schweben, in dem Wissen, dass der Bau der Sternwarte schon bald losgehen würde. Hätte ihr Leben eine bessere Wendung nehmen können?
17
Tatsächlich wurde das Land nur ein paar Tage später getauscht, und die Bauarbeiten konnten offiziell beginnen. Lillian begleitete ihren Großvater zum Lagerplatz, wo sich auf Geheiß von Mr Caldwell die Arbeiter eingefunden hatten, um das Baumaterial auf Wagen zu verladen.
»Kaum zu glauben, dass aus all dem mal eine Sternwarte werden soll, nicht wahr?«, fragte Georg seine Enkelin euphorisch.
Lillian nickte. »Aber in ein paar Monaten wird es anders aussehen.«
»So ist es. Und dann werden die Leute, die sich heute die Augen ausgaffen, hoffentlich zahlreich erscheinen und einen Blick durch unser Teleskop werfen.«
Lillian waren die vielen Schaulustigen nicht entgangen. Unter ihnen fanden sich einige Gesichter wieder, die sie vom Ball her kannte. Einige von ihnen sahen aus, als hätten sie sich extra für diesen Anlass fein gemacht.
Auch Rosie war mit ihrer Mutter erschienen. Wahrscheinlich hoffte sie auf neuen Tratsch, den sie verbreiten konnte. Doch auf diesem Gebiet hier fürchtete Lillian sie nicht. Rosie mochte sich vielleicht über Kleider und Schneiderinnen lustig machen, doch von Wissen und Wissenschaft hatte sie keine Ahnung. Natürlich konnte sie auch darüber spotten, doch jeder, der über einen Funken Verstand verfügte, würde erkennen, dass sie sich lächerlich machte, indem sie ihre eigene Dummheit preisgab.
Insgeheim hatte Lillian erwartet, dass auch Jason hier auftauchen würde, doch ihn suchte sie auf dem Lagerplatz vergeblich. Würde er noch kommen, oder hielten ihn seine Geschäfte davon ab?
Auf jeden Fall war Henare Arana da. Mit einem herzlichen Lächeln nahm er Lillian und ihren Großvater in Empfang. »Ein wunderbarer Tag, nicht wahr?«, fragte er, während er Georg die Hand schüttelte und bei Lillian einen Handkuss andeutete.
»Einer der schönsten, die ich in meinem Leben erlebt habe!« Georgs Augen strahlten, und auf einmal wirkte er um mindestens zwanzig Jahre jünger. »Wie lange wird es dauern, bis alles verladen ist?«
»Ein paar Stunden. Wir haben sehr gute Leute angeworben, die sich mit dem Gelände auskennen. Bis zum Abend sollte der Großteil der Ladung unterwegs sein, und ich bin sicher, dass wir morgen schon die ersten Wagen am Bauplatz haben.«
Unter den Arbeitern entdeckte Lillian auch einige Maori. Nachdem sie sie in ihrem Dorf und ihrer traditionellen Kleidung gesehen hatte, erschienen ihr die westlichen Kleider der Arbeiter irgendwie falsch. Bei einigen von ihnen entdeckte sie allerdings Jade- oder
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