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Der Rote Mond Von Kaikoura

Der Rote Mond Von Kaikoura

Titel: Der Rote Mond Von Kaikoura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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dann würde es ihre Freundin sein, da war sich Lillian sicher. Doch sie wusste auch, was Adeles Mutter wirklich damit sagen wollte. Dass ein Mädchen, das sich für die Wissenschaft interessiert, nie einen Mann abbekommen und als alte Jungfer enden würde.
    »Also«, vertrieb Jason ihre Gedanken und bot ihr erneut seinen Arm an. »Wollen wir? Ich bin sicher, dass den Leuten die Kinnlade herunterfällt, wenn sie uns zusammen sehen.«
    Da Lillian immer noch das selbstgefällige Gesicht von Adeles Mutter vor sich sah und sich nichts mehr wünschte, als dass sie sie in diesem Augenblick sehen könnte, hakte sie sich bei Jason ein und ließ sich von ihm zurück in den Tanzsaal führen.
    Wie Ravenfield vermutet hatte, erregte ihre Rückkehr einiges Aufsehen im Tanzsaal. Lillian waren die ungläubigen Blicke der Leute zunächst unangenehm, doch dann schob sich Rosie Callahan in ihr Blickfeld. Ihre Miene wirkte wie vereist – und war das ein grüner Schimmer rings um ihre Nase? War es etwa Zeit für sie, sich die Nase nachzupudern? Offenbar ja, denn als Lillian nach kurzem Wegschauen den Blick wieder in Rosies Richtung wandte, war sie verschwunden.
    Dafür erblickte sie im nächsten Augenblick Samantha. Sie lächelte breit und wirkte ausgesprochen zufrieden. Neben sich hatte sie »ihren« Mr Middleton.
    »Darf ich bitten?«, fragte Ravenfield plötzlich.
    Erst jetzt stellte Lillian fest, dass sie sich mitten auf der Tanzfläche befanden. Ringsherum gruppierten sich andere Paare.
    Erwischt!, schoss es Lillian durch den Sinn. Doch da fing auch schon die Musik an, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in seine Arme zu schmiegen.
    Ein einziges trübes Licht strahlte noch aus der Richtung, in der ihr Haus stand. Weder in Mrs Peters’ Haus noch in den benachbarten Gebäuden schien noch jemand wach zu sein.
    Eigentlich gehörte es sich nicht, dass eine Dame allein durch die Stadt ging; dennoch hatte sie darauf bestanden, dass Samanthas Kutscher sie auf der Main Street absetzte.
    Wider Erwarten war das Fest doch recht schön geworden, nicht zuletzt wegen Ravenfield, der sie insgesamt vier Mal zum Tanzen aufgefordert hatte. Als wäre dies ein Startsignal gewesen, hatten sich auch noch andere junge Männer eingefunden, und niemanden schien es zu stören, dass sie die Enkelin des schrulligen Alten war, der eine Sternwarte bauen wollte. Samantha war ehrlich stolz auf sie, während Rosie und ihre Freundinnen den Eindruck machten, als wollten sie vor Neid platzen.
    Jetzt gab es allerdings einiges, worüber sie nachdenken wollte. Dass man über sie reden würde, weil ihr Kleid von Mrs West stammte, war dabei Nebensache. Ravenfields Bemühungen konnten für den Tratsch in der Stadt schon eher ins Gewicht fallen. Wollte er ihr wirklich den Hof machen? Oder war es nur Höflichkeit gegenüber der Enkelin eines Geschäftspartners?
    Als sie das Haus betrat, war alles still. Offenbar war ihr Großvater wieder einmal über seiner Arbeit eingeschlafen. Auf Zehenspitzen schlich sie in seine Studierstube. Und richtig, die Arme über ein Buch verschränkt, den Kopf darauf gebettet, lag er halb über seinem Schreibtisch und schnarchte leise vor sich hin. Eine seiner weißen Locken war ihm ins Gesicht gefallen und bewegte sich im Takt seiner Atemzüge auf und ab. Gerührt von dem Anblick, überlegte Lillian, ob sie ihn wirklich wecken sollte. Doch dann kam ihr wieder in den Sinn, dass er vielleicht noch nichts von seinem Glück wusste. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er ihr bewusst Ravenfields Teilhaberschaft an dem Sternwartenbau verschwiegen hatte.
    Zunächst berührte sie ganz sanft seine Schulter; als das nichts half, rüttelte sie ihn ein wenig, bis das Schnarchen abebbte. »Großvater, Zeit ins Bett zu gehen.«
    Georg stieß ein Murren aus, öffnete dann aber die Augen. Als würde sich der Traum, den er soeben geträumt hatte, nur langsam wieder zurückziehen, sah er sie zunächst verständnislos an, dann murmelte er: »Lilly, bist du wieder da?«
    Lillian ließ sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch nieder. »Ja, das bin ich. Und ich glaube, ich habe eine interessante Neuigkeit für dich.«
    »Hast du auf dem Fest einen netten Mann kennengelernt?«
    »Ich habe Mr Ravenfield getroffen«, antwortete sie. »Und er hat mir ein paar sehr gute Neuigkeiten überbracht.«
    Auf einmal war ihr Großvater hellwach. »Ravenfield war auf dem Fest?«
    Lillian nickte. »Er ist der geheimnisvolle Gönner, nicht wahr? Der Mann, der sein

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