Der rote Salon
schwenkten dann von rechts und links zusammen und reihten sich dem Zuge an. / Der Brennpunkt, worin alle Strahlen der Festlichkeiten zusammenflossen, war Unter den Linden. Dort war eine prächtige Ehrenpforte errichtet. Sechzig Fuß hoch, vierzig Fuß breit mit drei Portalen nebeneinander: ein großes in der Mitte und zwei kleinere seitwärts. In dem mittleren,dem Hauptportale, schwebte ein doppelter Brautkranz von frischer Myrte. An dieser Ehrenpforte standen dreißig Knaben von der französischen Kolonie, daneben vierundfünfzig Mädchen, Töchter Berliner Bürger, in weißen Gewändern mit grünen Kränzen in den Haaren. Aus ihrer Mitte wurde der Braut des Kronprinzen ein Festgedicht überreicht, dessen Verse von einem der Mädchen gesprochen wurden. Die natürliche Anmut des Kindes erfreute Luise so, daß sie sich zu ihm nieder neigte, es in die Arme schloß und küßte.« (Friedrich Adami: Luise, Königin von Preußen, zit. nach Merete van Taack: Königin Luise, S. 205 ff.)
S. 143
Unser vielgeliebter König … Der Neffe und Thronfolger Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelm, war schon als Kronprinz für sein Lotterleben bekannt und hieß im Volksmund
der dicke Lüderjahn
oder
der dicke Willem
. 1774 wurde dem englischen Gesandten Harris über ihn berichtet, er habe allein in Berlin 300 000 Taler Schulden und ebenso viel im Ausland, sodass er
nicht einmal seine Wäscherin bezahlen
könne, und
alles mit Mädchen durchgebracht
habe. Nach einer unglücklich verlaufenen, da in beiderseitige Untreue mündenden Ehe mit der Prinzessin Elisabeth Christine Ulrike von Braunschweig-Wolfenbüttel wurde er mit Friederike Luise von Hessen-Darmstadt verheiratet, die für Nachwuchs im preußischen Königshaus sorgte. Sie musste die zahllosen Geliebten ihres Gatten kommentarlos ertragen. Wilhelmine Encke etwa, die er 1796 zur Gräfin Lichtenau erhob, galt von 1769 als von Friedrich II. gebilligte Hauptmätresse des Kronprinzen, dem sie fünf Kinder schenkte. Der früh verstorbene Alexander (das »Anderle«) war Friedrich Wilhelm II. so lieb, dass er ein Grabmal in Auftrag gab, welches Schadows Ruf als Marmorbildhauer begründete. Das 1790 fertig gestellte Werk steht heute in der Alten Nationalgalerie. Friedrich Wilhelm III. ließ später – als eine seiner ersten Amtshandlungen – die Hauptmätresse des Vaters verhaften und ihr den Prozess machen. Der
dicke Willem
war zum Glück nicht nur Verschwender, sondern auch ein großer Förderer der Künste. Seine Gebietserweiterungen bei zwei weiteren Aufteilungen Polens führten dazu, dass ein Drittel der Einwohnerschaft Preußens einst polnisch war. Sein wichtigster Beitrag zur europäischen Koalition gegen Frankreich ist der Frieden von 1795, den sein Sohn zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt wieder verspielte.
S. 149
Hätten wir gewusst, was er mit seinen Fragen bezweckte
… Johann Rudolf von Bischoffwerder beeinflusste Friedrich Wilhelm II. nachhaltig durch technisch ausgefeilte Methoden der Geister-Projektion, die er etwa im Charlottenburger Belvedere und in der Grotte seines Schlosses in Marquard zum Einsatz brachte. Er war bei Johann Georg Schrepfer, dem betrügerischen Dresdner Multitalent, in die Beschwörer-Schule gegangen und benutzte wie sein Lehrmeister doppelte Wände, Hohlspiegel, Laternae magicae und Glasharmonikas. Der leicht zu rührende König ließ sich von geisterhaften Bildern täuschen, die auf Rauch, Wasserdampf und Milchsamt geworfen wurden, wo sie lebendig wirkten. Ein Bauchredner stellte dem König unterdessen mit der Stimme der Geister (etwa Marc Aurels und Julius Cäsars) anheim, was in simplen Entscheidungsfragen zu tun sei. Krieg, ja oder nein? Pensionen für Staatsdiener, erhöhen oder kürzen? Ausgaben für Champagner erhöhen, ja oder ja … ? »Als eines Abends … der Prinz bei seiner Geliebten … verweilte, rief ihn Bischoffwerder ab und führte ihn in ein entlegenes Haus, um ihn endlich an der langersehnten Unterhaltung mit abgeschiedenen Geistern teilnehmen zu lassen. … Die Zauberei bestand darin, daß während der Beschwörungsformel und unter den nervenangreifenden Tönen einer Glasharmonika der geforderte Geist in dem Nebenzimmer leibhaftig sich so vor einen Hohlspiegel stellte, daß sein Bild von dem gegenüberliegenden Milchflor in dem dunklen Zimmer sichtbar wurde, in welchem der geängstigte Prinz ganz allein saß. Es war dem Prinzen gestattet worden, Fragen an die Abgeschiedenen zu richten, allein er war nicht imstande, auch
Weitere Kostenlose Bücher