Der rote Salon
gestürzt hätte.« (Thomas Stamm-Kuhlmann: König in Preußens großer Zeit, S. 90f.)
S. 109
Dass wir alle zu Gespenstern werden … Im ausgehenden 18. Jahrhundert belebte sich der uralte Geisterglaube in Europa und wurde vielfältiger. Die erste Adaption der fernöstlichen Reinkarnationslehre durch Johann Georg Schlosser hat dazu ebenso beigetragen wie die Lehre Emanuel Swedenborgs, eines zuvor recht angesehenen, begabten und vielseitigen exakten Naturwissenschaftlers. Erst berichtete Swedenborg von »Gesprächen mit Engeln und Geistern«, die er angeblich geführt hatte, dann entwarf er eine völlig eigene Version vom christlichen Jenseits. In diesen ewigen Jagdgründen lebten sowohl einzelne Abgeschiedene als auch Geisterkollektive und teilten sich dem gottesfürchtigen Frager mit. Obwohl klare Köpfe wie Kant von diesen »Träumen eines Geistersehers« nichts hielten, waren Swedenborgs Auffassungen in den Salons beliebtes Thema. Schillers Romanversuch
Der Geisterseher
schildert den gedanklichen Morast, in dem sich derlei abspielte, und führt die technischen Hilfsmittel vor, die dabei gerne eingesetzt wurden: Elektrisiermaschine und Laterna magica. Bei den Geheimbünden gehörten
Geheime Obere
und Geister schon immer zum sine qua non … Auch die sehr beliebten okkulten Kräfte des Magnetismus (ausgenutzt etwa vom Strahlentherapeuten Franz Anton Mesmer) wirkten allseits begeisternd. Der berühmte Hochstapler Cagliostro, dem Goethe den Ritterschlag einer Biographie erteilte, beschwor Geister mitunter durch Zuhilfenahme von Kindern als Medien. Auch wenn der Spiritismus erst im 19. Jahrhundert zu blühen begann, sind Tischklopfséancen bereits durch Lavater im Jahre 1795 bezeugt. Aus der Revolutionszeit stammt der Brauch, Tarotkarten zu Wahrsagezwecken zu legen. Unruhige, schreckliche Zeiten und Zeiten der Krise und Ungewissheit – beim Einzelnen wie im Allgemeinen – ließen (und lassen) die Scharlatane frohlocken, denn die Menschen hatten (und haben) gerade dann seltsamerweise viel Geld für Orakel übrig, die ihnen sagen, wie gut alles werden wird. Ein äußerst sicheres und daher sehr beliebtes Orakel in dieser Hinsicht war seit jeher das christliche Heilsversprechen mit oder ohne swedenborgianische Verstärkung.
S. 139
Einholen ist eben Bürgersache … »Aus Potsdam, wo ihnen ein Festzug das Ehrengeleit gab, kamen die Prinzessinnen um ein Uhr mittags nach Schöneberg. Schon aus der Ferne von dem Jubelruf der Volksmasse begrüßt … In Schöneberg … standen von 10 Uhr morgens an die Zünfte, Gilden, Corporationen, um dem Staatswagen der Prinzessinnen bis nach Berlin voranzureiten. Sechs königliche Postsekretäre, an der Spitze von vierzig blasenden Postillionen, alle neu uniformiert, sollten den Festzug … eröffnen. Daran reihten sich: ein Corps der Frachtfuhrleute, das Schlächtergewerk, die Schützengilde, eine Schar Berliner Bürgersöhne in altdeutscher Rittertracht, die vereinigten Brauer- und Brennergilden, zwei Züge der jungen Kaufleute und zum Beschluss die Kaufherren von den drei Gilden der Kaufmannschaft. Jenseits des Dorfes … aufgestellt, machten sie mit gezogenem Degen zur Linken am Rande der Chaussee Front gegen diese hin; zur Rechten an der Fahrstraße hielt ein Teil der königlichen Garde du Corps in großer Uniform. … Während hier dem Wagen ein neues Gespann von acht Pferden aus dem königlichen Marstalle vorgelegt wurde, zogen alle berittenen Corps in schmalen Reihen vorüber, ihre Führer nahten sich dem Kutschenschlage und baten die Prinzessinnen um die Genehmigung, ihnen vorreiten zu dürfen. / In Berlin wurden die Prinzessinnen am Potsdamer Tore von dem Magistrat empfangen; im Namen der Residenz hieß er sie willkommen. Die Leipziger Straße hinauf bis an die Ecke der Wilhelmstraße hatten sich die vier Kompagnien der bewaffneten Berliner Bürger-Brigade in zwei Reihen aufgepflanzt, sie begrüßten die Ankommenden mit klingendem Spiel. Tausende von Zuschauern füllten dahinter die Straße und die Häuser. Ein unaufhörliches Jubelgeschrei scholl den jungen Fürstinnen entgegen. Unmittelbar hinter ihrer Staatskutsche fuhr der Familienwagen mit der Großmutter, dem Vater und dem Bruder. / Die Wilhelmstraße entlang, bis dahin, wo sie Unter den Linden einmündet, waren zu beiden Seiten Geländer gezogen. Innerhalb dieser Barrièren standen die übrigen zweiundzwanzig Kompagnien der damaligen Berliner Bürgerwehr. In soldatischer Weise grüßten sie die Vorüberfahrenden,
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