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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Spandauer Vorstadt stammten. Auch berichtete er mir, dass der Bruder des Comtes, Frédéric de Mâconnais-Rambouillon, der Schlächter von Nantes, von Robespierre persönlich den Auftrag erhalten hatte, den kultischen Zirkel zu zerschlagen. Sei es nun, weil er zu viele andere zu töten hatte, sei es, weil er den Bruder nicht hoch genug schätzte, um ihn umzubringen, oder weil ihn doch das Gewissen biss – um wenigstens den Brudermord sein zu lassen, hatte der Beauftragte seinerseits zwei seiner Spießgesellen nach Berlin geschickt.
    Arrat und Dampmartin, selbst auf der Abschussliste des Wohlfahrtsausschusses und bestrebt, sich durch willfährige Morde wieder das Wohlwollen der Jakobiner-Oberen zu erwerben, wurden wegen des versuchten Betrugs in Spandaufestgesetzt, wo sie noch saßen, als Napoleon in Berlin einzog. Der kleine dicke Korse verkündete eine Amnestie für alle Franzosen …
    Im Falle des Dieners Groth ließ der König Gnade vor Recht ergehen, wiewohl einige böse Zungen wissen wollten, mit dieser Begnadigung wäre nur dem Umstand Rechnung getragen worden, dass der Galgen bei der Ludergrube weit draußen vor dem Oranienburger Tor in
des Teufels Lustgarten
ein dreischläfriger sei.
    Die Exekution fand unter breitestem Volkszuspruch statt und war eine der letzten großen Belustigungen dieser Art im vergangenen Äon – größer als die Höppner’sche, wenn auch noch nicht so groß wie die diesjährige Horst’sche. Beatrice de Grève, Valentin Göttler und Felicien de la Maupadé »schliefen« in aller Öffentlichkeit volle dreißig Tage der ewigen Verdammnis entgegen.
    Was aus dem königlichen Gegenstand wurde, um dessentwillen die drei letzten Reinen im roten Salon hatten sterben müssen, das weiß ich nicht. Er wird den Weg aller Reichtümer gegangen sein, die unser damaliger König kurzzeitig sein Eigen nannte. Eine Belohnung für meine Hilfe erhielt ich nicht, wohl aber eine Einladung zum Konzert meiner Verfolger.
    Der alte König ist tot. Auch die damalige Kronprinzessin und spätere Königin weilt schon seit zehn Jahren nicht mehr unter den Lebenden. Es lebe ihr Ehemann, unser jetziger König!
    Apropos Ehemann – mein Jérôme wird heute eintreffen, ich spüre es… Der Mond ist groß und schön, und ich denke an die herrlichen Nachtfahrten, die wir im Ballon unternahmen, in Nächten mit dem runden lunaren Sonnenspiegel als Leitgestirn.
    Hundertmal schon sah ich das Blinken der Kutsche, hörte das Getrappel der Hufe, und dann war es nur eine Fata Morgana. Jetzt werde ich ihm auf der langen Allee entgegenschlendern, zum Haveldamm hinüberschauen, die Luft genießen und mich von den goldenen Oktoberblättern der noch sommerlich rauschenden Linden beschneien lassen. Und wenn ich so bis Paris laufen müsste, ich würde nicht innehalten! Ach Jérôme …

HISTORISCHE STICHWORTE
    S. 12
    Kronprinzessin Luise … Als König Friedrich Wilhelm II. 1793 Luise von Mecklenburg-Strelitz und ihre Schwester Friederike zum ersten Mal sah, war er »… so frappirt von ihrer Schönheit, daß ich ganz außer mir war, als die Großmutter sie mir präsentirte. Ich wünschte sehr, daß meine Söhne sie sehen möchten und sich in sie verlieben […] Ich machte mein Möglichstes, daß sie sich öfter sahen und sich recht kennen lernten. […] Sie gaben sich das Jawort und die Versprechung wird bald vor sich gehen, vermuthlich in Mannheim. Der älteste heirathet die älteste und der jüngste die jüngste.« Die Doppelhochzeit wurde für die Weihnachtstage 1793 vereinbart. Die schönen Bräute wurden festlich eingeholt, am 24. und 26. Dezember war Hochzeit. Die Berliner liebten die siebzehnjährige Luise wegen ihrer natürlichen, zugänglichen Art. Die Gräfin Sophie Marie von Voss, die mit vierundsechzig Jahren zur Oberhofmeisterin Luises ernannt worden war, hatte ihre liebe Mühe mit dem Wildfang. Luises Schmähungen (gegenüber Gerardine geäußert) sind aus dem brieflich überlieferten originalen Wortlaut entwickelt. Fünf Jahre jünger als ihr Mann, war die Kronprinzessin ein ziemliches Kind. Sie tanzte gerne, las wenig, verwechselte die Könige, hatte kein Zeitgefühl und kleidete sich französisch-revolutionär. Luise tat alles, eine preußische Marie Antoinette zu werden, was ihr im kleinen Rahmen auch gelang. Das erste halbe Jahr in Berlin verlief äußerst turbulent. Die Kronprinzessin eilte von Fest zu Fest und klagte in ihren Briefen über zu wenig Schlaf wegen der endlosen Bälle und Redouten. Aus den ersten

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