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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Geisterbeschwörungen mit antiapokalyptischen Augen betrachtet
, Funks
Natürliche Magie
sowie Gotthard Hafners
Onomatologia curiosa, artificiosa et magica oder Ganz natürliches Zauberlexikon

    »Es ist die schönste und teuerste Enfilade im Haus, das stimmt wohl. Die angrenzende von Monsieur de Paul besteht dagegen nur aus zwei schmalen Zimmerchen … Gaston Armand Comte de Mâconnais-Rambouillon konnte es sich leisten. Er hat darüber hinaus auch die Miete für die Wohnungen seines Sekretärs und seines Dieners, versteht sich, bezahlt. Es ist ein Jammer, ich weiß mir schier nicht zu helfen, wenn nichts geschieht! Ich werde ein Konzert zur Besänftigung der Toten veranstalten und hoffen müssen, dass sich bald ein Nachmieter findet. Zum Glück kommen stündlich neue, wohnungssuchende Émigrés in die Stadt, von denen einige über ausreichende Mittel verfügen.«
    »Woher hatte Monsieur Mâconnais-Rambouillon sein Geld?«
    Sie seufzte.
    »Eine Hinterlassenschaft, wie er sagte. Émigrés mit reichem Erbe: O Herr, lass sie zu mir kommen!«
    Ich durchsuchte mit den Augen den Raum, in der Hoffnung, dass mir irgendetwas auffiele.
    »Mâconnais-Rambouillon lag im Nachbarraum, die de Pouquet dort vorne, nahe am mittleren Fenster, als wollte sie es noch aufreißen und in ihrer Not hinausschreien. Alphonse Dampmartin schließlich scheint sich bis zur Eingangstür geschleppt zu haben. Sie können sich nicht vorstellen, wie mich die Nachricht von alledem traf und noch immer aufregt …«
    Sie hatte die Waffe aus dem Muff gezogen. An der Art, wie sie sich mit der Salzpistole ins Dämmerlicht des Dezembernachmittags vortastete, war ihre Stimmung abzulesen: Was sie beunruhigte, schien noch anwesend oder aber mit der Fähigkeit begabt zu sein, jederzeit wiederzukehren.
    »Die Geisterwelt ragt in unsere, und die irrenden Seelen, die nicht sterben und in den ewigen Himmel des Paradieses eingehen können, weil sich das Gute und das Böse in ihnen die unselige Waage halten, werden uns drangsalieren bis zum jüngsten Tag. Oder wenigstens bis zu dem Tag, an dem sie durch die Gnade Gottes eine vorzeitige Läuterung erfahren.«
    Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte. Meinte sie, dass die Toten, die nicht ruhten, die Lebenden zur Schlechtigkeit anhielten? Oder meinte sie wirklich – und die Waffe gegen die Geister sprach ganz dafür –, dass die Untoten die Kraft und die Unart besäßen, nicht nur ihre guten Seiten, sondern auch ihre Schlechtigkeit uns Irdischen angedeihen zu lassen?
    »Wie haben Sie davon erfahren? Wer hat die Toten gefunden? Was für eine … schwarze Messe … wurde in diesem Haus gefeiert?«
    Ob die Besitzerin auf ihrer Schulter auch eine Harfe hatte? Fast hätte ich sie plump und direkt gefragt, doch dann überwog die Vorsicht. Sie antwortete zögernd und entspannte vorsichtig den Hahn der Pistole.
    »Mâconnais-Rambouillons Privatsekretär, Christian Bonneheure, fand die Leichen. Er hat die Räume als Erster betreten, am Morgen danach.«
    Wir hörten das Geräusch von Besen und Schaufel. Es kam aus den beiden großen Seiten- und den drei kleinen Nebenräumen der Wohnung, deren Grundriss etwa die Hälfte der Fläche des ersten Stockes zu umspannen schien. Zwei Putzhilfen waren mit der Säuberung beschäftigt.
    »Wohnt er noch hier? Der Sekretär?«
    »Er hatte zwei kleine Räume linkerhand. Er wird noch heute ausziehen, was ich ihm nicht verdenken kann. Die Miete wäre zwar für den ganzen Dezember beglichen, doch es hält ihn nicht mehr in diesem grauenvollen Gemäuer. Auch der Diener Karl, der ein kleines separates Gelass neben Bonneheures Zimmern hatte, verlässt umgehend das Haus.«
    Durch die erste Tür, die draußen im Treppenhaus zur rechten Seite abging, so erfuhr ich, gelangte man in den Vorraum zu den Zimmern, die die Bediensteten bis zu diesem Tag bewohnt hatten. Vom gemeinsamen Vestibül dieser Wohnungen aus, das zugleich bei Bedarf als Umkleidezimmer und Garderobe für die Gäste der Herrschaft diente, führte eine Tür in den Salon.
    Im Zimmer rechts vom Hauptraum trafen wir auf zwei Männer, die mir nicht so aussahen, als ob sie über ein künftiges Mietverhältnis nachdachten.
    »Madame! Gut Freund!«, sagte der eine erschrocken, und Beatrice de Grève ließ die Waffe sinken.
    Christian Bonneheure, Mâconnais-Rambouillons Sekretär, war ein attraktiver, leicht verzärtelt wirkender Jüngling mit dunklen Schatten um die blauen, verweinten Augen. Der katholische Priester neben ihm suchte

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