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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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der Herzöge von Argenteuille.
    »Dies ist die Harfe der Herzogin. Sie bat mich, das zu retten, was ihr mehr wert war als alles Menschliche auf dieser Welt.«
    »Verraten Sie mir, wie Sie in diese missliche Lage gekommen sind?«
    Sie wischte eine Träne fort, die unversehens über ihre Wange gerollt war, und setzte sich an ihr Instrument. Als sie sanft über die dunklen Saiten der Harfe strich, wurde ein Tongespinst erzeugt, das wie ein Geisterballett in der kalten Luft zitterte. Ich sah gefallene Engel durch den schwarzen Raum gehen.
    »Wie ich hierherkam? Es war wie bei uns allen. Die reine Furcht vor dem fallenden Beil, das uns ohne Grund um die Köpfe bringen wollte. Granget ... ist das Ihr richtiger Name?«
    Als sie mich durchdringend ansah, fühlte ich mich durchschaut. Sie lächelte und fuhr fort:
    »Sicher nicht. Die Revolution hat uns ja alle ins Incognito getrieben.«
    Ich schämte mich meiner Unaufrichtigkeit und nannte ihr meinen wahren Namen.
    »Marquise ... welch eine Ehre!«
    Es klang heuchlerisch und bigott. Aber dieses Gefühl hatte ich stets, wenn ich urplötzlich mit meinem Standestitel angesprochen wurde. Ich wehrte ab, was sie jedoch kaum gelten ließ. Ich erfuhr, dass sie Beatrice de Grève hieß. Auch ein wenig von ihrer Herkunft und ihrem Schicksal:
    »Mein Vater war der Komponist Hermand-Louis de Grève. 1772 starb meine Mutter an den Folgen eines Ehebruchs, und Vater ging mit mir nach Versailles, als ich zwanzig war. Ich spielte und liebte und lebte am Hof siebzehn Jahre lang.
    Eigentlich ist das schon meine ganze Geschichte. Ich verließ Paris vor etwas mehr als dreizehn Monaten. Die Harfe war seither meine beste Freundin.«
    Sie spielte nun ein Stück, welches ihr Vater komponiert hatte, altmodisch und vorzeitig, wie eine Übersetzung eines Gemäldes von Watteau in die Dimension der Töne. Als sie es beendet hatte, sah sie mich fest an und sagte bitter lächelnd:
    »Seien Sie nur ehrlich. Warum wollen Sie mir etwas vormachen? Sie sind wegen der Morde hier und nicht wegen eines Zimmers. Der Polizist deutete an, dass Anne de Pouquet eine einheimische Freundin hatte. Das müssen Sie sein!«
    Ich war enttarnt und gestand es leicht errötend ein.
    »Freundin
ist zu viel gesagt. Sie reiste mit meinem Mann und mir von Paris und Mainz her an. Wenn ich mich so schlecht verstellen kann, dann sollte ich besser gleich mit offenen Karten spielen oder den Hazard, bei dem man bluffen muss, ganz sein lassen. Kannten Sie sie näher?«
    »Nein, nicht sehr nahe. Sie spielte mitunter hier im Hause, so etwa bei meinem letzten Konzert. Sehr talentiert ... Sie hätte es noch weit bringen können. Ich habe sie zuerst in Versailles beim Vorspiel gehört, damals hatte sie noch nicht die Klasse, die nötig war, um im Harfencorps zu spielen. Außerdem verkehrte sie in den falschen Kreisen: Man sagte, sie sei im Salon der männerfressenden Gouze gewesen. Aber ihr Talent bemerkte ich schon damals. Es war etwas Ephemeres, Geisterhaftes in ihrem Wesen ...«
    Ich sah die Harfensymbole auf den Schultern vor meinem inneren Auge.
    »Harfencorps?«
    Beatrice de Grève beeilte sich zu erklären:
    »So nannten wir den Kreis der Auserwählten, die mit der Königin zusammen spielen durften. Hier in Berlin traf ichsie bei Göttler wieder und lud sie zu einem Konzert. Ich glaube, sie hat an geheimen politischen Versammlungen bei Mâconnais-Rambouillon teilgenommen. Ich hatte ihn ausdrücklich gebeten, die Politik aus meinem Haus zu lassen. Aber ich glaube, er hat sich nicht daran gehalten.«
    »Politik
trieb die drei in diese Wohnung?«
    Das Wort roch nach faulem Polypen. Sie zuckte die Achseln.
    »Ich lege keinen Wert auf allzu große Vertrautheit mit der Polizei. Aber ich selbst lasse meine Mieter unbehelligt ...« Ich erzählte ihr von Distels Verdächtigungen meine Person betreffend sowie von der Haussuchung, hoffend, dass sie mir den Raum zeigen würde, in dem die Morde geschehen waren. Ich erwähnte die Harfen-Tataus nicht, obwohl ich den vagen Verdacht hatte, Beatrice de Grève könnte mehr darüber wissen, als sie bereit war, mir zu sagen.
    »Würden Sie mir den Ort zeigen, wo man sie fand? Ich kann nicht mehr schlafen, wenn ich es nicht gesehen habe. Verstehen Sie das?«
    Sie erhob sich, und ich konnte aus ihrem Mienenspiel ein zögerliches Ja ablesen. Sie nahm das Tuch von der Schüssel, die ich längst vergessen hatte. Eine Pistole kam zum Vorschein, die sie nun in einem Pelzmuff verschwinden ließ.
    »Entschuldigung!

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