Der rote Salon
die Räume mit Weihrauch und Weihwasser vom Bösen zu reinigen.
»Madame, Sie sollten sich beruhigen«, sagte Bonneheure mit einer sehr angenehmen, erkälteten Stimme. »Es besteht kein Grund … besteht kein Grund … sich zu ängstigen, denn
diesen
Nebel flüchten sie!«
Hausherrin und Ex-Sekretär verständigten sich durch einen Blick, der mir zu bedeuten schien, dass in meinem Beisein auf die Worte Acht zu geben wäre.
»Sind die Geister fort?«, fragte ich den dicken Priester. Den Schauplatz eines dreifachen Mordes durch das Hin- und Herbewegen eines dampfenden Topfes und das Ausschütteln eines in kaltes Wasser getunkten Staubwedels wieder für die Lebenden bewohnbar machen zu wollen, kam mir so urzeitlich wie töricht vor. Nicht minder befremdlich wirkte es auf mich, eine Salzpistole gegen Untote mit sich zu führen … Er zuckte zusammen und suchte verzweifelt nach der Antwort, woraus ich schloss, dass sein eigenes Zutrauen zum christlichen Austreibungszeremoniell nicht so stark war, wie man hätte annehmen dürfen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Anstrengungen!«, sagte die Hauseignerin zum Weihrauchschwenker. »Diese junge Dame sucht das schreckliche Schicksal der Getöteten zu begreifen. Sie hat nicht so viel Glauben wie wir, was das unheilvolle Wirken der abgeschiedenen Seelen betrifft. Wobei mein Glaube bislang nur ein entfernter und theoretischer war. Ich habe den meisterlichen Schweden noch längst nicht gänzlich verstanden, und es gibt zahlreiche Aspekte seiner Geisterlehre, die ich nie akzeptieren werde. Doch … die Geschehnisse sprechen ja gewissermaßen für sich.«
Wie meinte sie das? Hielt sie den Hausgeist für den Mörder? Glaubte sie, dass die Ermordeten wiederkehren und Rache an den Lebenden nehmen würden?
»Was hat sich in der vorletzten Nacht hier abgespielt? Und was war Anne de Pouquets Part dabei?«, fragte ich Bonneheure,während ich den Boden mit den Augen absuchte. Man errät nichts ohne Verdacht: An einer Stelle schien jemand Stäbe aus dem Parkett herausgehoben und recht nachlässig wieder eingelegt zu haben.
»Ich genoss einen unerwarteten freien Tag und weiß so wenig wie Sie über die Ereignisse! Als ich gestern Morgen hier ankam …« Bonneheure kämpfte mit den Tränen. »Es war grauenhaft. Diese entstellten Gesichter …«
Er rang nach Worten, während ihm die Flüssigkeit wieder in die Augen schoss. »Fratzen … Doch vor allem diese geisterhafte Ruhe. Ich sah die leblosen Körper im Halbdunkel des Morgens. Sie schienen am Boden zu schlafen. Die Sonnenstrahlen fielen schräg ein, und Staub flimmerte über allem. Es war … fast … idyllisch …«
Ein Tränenschwall erstickte seine stockende Rede. Der Priester murmelte sein Vaterunser und schlug Kreuze. Bonneheure schluchzte heftig und netzte seinen Jackenärmel mit Tränen. Ich getraute mich kaum, ihm weiter zuzusetzen, so bewegte mich sein Schmerz. Dennoch überwog meine Wissbegierde.
»Als sein Sekretär müssen Sie Einladungen geschrieben oder auch überbracht haben, Einladungen zu einer Soirée wie der in der Todesnacht, von der Sie vorgeben, nichts zu wissen!«
Ich hatte es härter formuliert, als ich wollte.
»Ich war nur für seine Manuskripte und seine diplomatische Korrespondenz zuständig. Einladungen und dergleichen schrieb der Comte de Mâconnais-Rambouillon grundsätzlich selbst. Und überbracht hat sie … Karl.«
Er hatte sich zu einem älteren schlanken und sehr distinguiert wirkenden Herrn umgedreht, der eben aus der Tür zu den Dienstbotenzimmern getreten war. Der vormalige Diener, dessen Dienstverhältnis auf so grauenhafteWeise geendet hatte, blieb äußerlich völlig unbewegt, als er hörte, dass von ihm die Rede war. Er hatte eine kleine Reisetasche in der Hand und trug einen vornehmen Mantel – ehrlich geerbt oder aus Sentimentalität angeeignet. Aus dem Besitz seines Herrn, vermutete ich. Ich fragte Bonneheure rundheraus:
»Wer erbt das Vermögen Mâconnais-Rambouillons?«
»Vermögen?«
»Hieß es nicht, er sei in den Genuss eines großen Erbes gekommen? Das es ihm ermöglichte, all dies hier zu unterhalten?«
»Madame – wer sind Sie, dass Sie mich verhören wollen? Mâconnais-Rambouillon hatte einen Bruder, glaube ich. Der wird wohl erben, was es zu erben gibt. Ich habe Gott sei Dank meinen Lohn erhalten für den Rest des Jahres. Ich kann von Glück sagen, wenn ich noch ein Buch aus der Bibliothek abstaube. Die Nachlassangelegenheit wird vom hiesigen Syndicus Grandeville
Weitere Kostenlose Bücher