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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Unachtsamkeit von mir, Madame – es muss die Stelle sein, wo ich vor einiger Zeit eine Schüssel voll heißem Wasser fallen ließ. Ich bin untröstlich. Ich habe schon lange daran gedacht, es auszubessern, aber der Herr sagte immer, es hätte Zeit.«
    »Wo werden Sie jetzt arbeiten?«, fragte ich Groth.
    »Ich weiß es noch nicht. Ohne Zeugnis wird es nicht leicht. Ich werde zu Verwandten gehen, aber wohl keine neue Anstellung suchen. Ich bin heilfroh, dass ich das Haus verlassen kann. Nach dieser Untat könnte ich nicht mehr hier arbeiten. Es gibt durchaus Grenzen des Schicklichen.«
    Alle Anwesenden, ausgenommen meine Wenigkeit, wollten nur hinaus. Die ungleichen Herren, Bonneheure, der Priester und Groth, verbeugten sich und verschwanden durch den rechten Seitenraum und die dortige Hintertür, die zur Wohnung von Diener und Sekretär führte.
    Es gab noch zwei weitere Ausschlupfe aus der Mâconnais-Rambouillon’schen Etage, wie ich in den folgenden Minuten meiner notgedrungen viel zu eiligen Besichtigung registrierte. Durch kleine Vorkammern gelangte man sowohl links als auch rechts vom Mitteleingang ins Treppenhaus hinaus. Rechts befand sich der Dienstboteneingang, der an den Gelassen von Sekretär und Diener vorbei zur Küche führte, links die Garderobe nebst Ausgang für die Gäste.
    »Stehen die Türen hier immer offen?«, fragte ich die Hausbesitzerin. »Der Mörder hätte in diesem Fall einfach so hereinspazieren können.«
    Beatrice de Grève schob die Pistole wieder in den Pelzmuff und zuckte die Achseln, als wir hinausgingen. Ich verabschiedete mich im Treppenhaus von ihr und glaubte zu bemerken, dass sie erleichtert war. War es, weil sie die Pistole nicht gebraucht hatte, oder weil sie mich endlich los wurde?
    Der Zufall half mir, als ich den Hausmädchen beim Verlassen des Grundstücks am Kehrichthaufen begegnete. Sie knicksten, und ich fragte:
    »Sucht ihr vielleicht eine kleine Nebeneinkunft?«
    Sie mochten fünfzehn sein und wirkten scheu und verschlossen. Doch ein paar Pfennige in meiner Hand ließen sie gesprächig werden, und ich erfuhr zuerst ihre Namen: Thea und Lore.
    Distel hatte sie natürlich auch schon befragt, aber dem hätten sie nichts gesagt, wie sie in dümmlichem Stolz sich brüsteten. Viel zu brüsten hatten sie, nebenbei bemerkt, nicht.
    »Bei dem Hakennasigen? Da bin ich ganz stumm geworden!«, sagte Lore.
    »Und ich erst!«, sagte Thea. »Ein hübscher Polizist hätte uns gesprächiger gefunden …«
    »Stimmt es, was man sich erzählt, dass ein alter Diener im Haus spukt? Man sagt auch, dass er öfters Geistergesellschaften bewirtet …«
    Die beiden grinsten und taten sehr furchtlos, als könne sie kein Geist schrecken. Sie griffen sich die Pfennige, und wir huschten in ihre armselige Kammer hinauf.
    »Spükerei? Nee, das ging immer ganz handfest zu.«
    »Immer? Gab es denn mehrere? Solcher … Soiréen?«
    »O ja! Regelmäßig zur Mitternacht ist ein Fackelträger gekommen – aus dem Wald hinterm Haus, wo unser Fenster hinunterschaut, es hat uns beim ersten Mal schon gegraust! Wir haben auf der Stiege gelauscht. Aber es war nichts weiter zu sehen und zu hören. Nur die große Tür ging, also war er beim toten Herrn.«
    »Bei wem?«
    »Dem toten Comte, der da noch lebte, den meine ich! Beim nächsten Mal, als es wieder passierte, ist es schon nicht mehr so aufregend gewesen. Ich glaube, es war einfach einer, der von den Nachtwächtern nicht gesehen werden wollte und hinten durch die Gärten kam. Wenn eine einmal nicht schlafen konnte, weil es so kalt war«, sagte Lore, »haben wir ihn gesehen.«
    »Habt ihr ihn Sonntagnacht gesehen? Ich meine die Nacht vom Sonntag auf den Montag? Vom Achten auf den Neunten?«
    »Sonntagnacht?«
    »Die Mordnacht, ja. Erinnert ihr euch an irgendein besonderes Vorkommnis?«
    Sie schüttelten energisch den Kopf. Plötzlich war ihre Gesprächigkeit dahin. Ich legte je einen Sechzehnteltaler vor sie hin.
    Thea zierte sich. Lore indes piepste:
    »Doch! Ja!«
    »Ihr habt einen gesehen? Einen Fackelträger?«
    »Zwei!«
    Jetzt nickte auch Thea.
    »Zwei!«
    »Geht es vielleicht etwas genauer? Kamen sie einzeln, kamen sie gemeinsam?«
    Es kostete mich noch zwei Sechzehnteltaler. Die beiden waren schnell von Begriff.
    »Der eine war der übliche Mann mit Fackel, ich erkannte seinen Gang. Der andere war ohne Fackel. Sie gehörten offensichtlich nicht zusammen. Der zweite lief über die Lichtung zum Haus, viel später.«
    »Wieso habt ihr das so genau

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