Der rote Salon
lassen kann …
Die Voss läuft rot an vor Wut. Luise aber lässt sich die Umarmung gefallen und küsst die Kleine, die nun ihr Gedicht nicht herausbringt vor Entrückung. Der Blick der künftigen Kronprinzessin schweift in die Runde und büßt nichtsan Freude und Leuchtkraft ein. Ein anderes Mädchen springt mit einem Gedicht ein. Plötzlich sieht Luise mich und winkt. Auch ihre Schwester zwängt sich kurz neben sie in den Wagenschlag und lacht.
»Willkommen, Prinzessinnen!«, rufe ich, worauf die Menge aufjubelt und von allen Seiten der Willkommensgruß bekräftigt wird. Blumen fliegen. Luise fragt, mit an den Mund gelegten Händen:
»Sie werden doch zur Hochzeit kommen?«
Ich kann es nicht fassen. Lachend schüttele ich den Kopf und rufe:
»Wir sind doch gar nicht eingeladen!«
Schon im Begriff, wieder einzusteigen, weil die Voss zornig an ihrem Kleid zieht, entgegnet sie:
»Jetzt sind Sie es!«
Und lacht ob meines ungläubigen Gesichts. Die Kleider übrigens, die Luise und Friederike trugen, waren aus weißem Atlas, dazu saßen ihnen beiden Federkränze auf dem Kopf, Luises war rosa, der von Friederike blau …
Die Kutsche rollte davon, aufs Schloss zu. Wir jubelten, wildfremde Menschen lagen einander in den Armen, etwa Beatrice de Grève und ich.
»Hat sie Sie eben wirklich persönlich angesprochen? Woher kennen Sie sie?«
Um dies zu erklären, musste ich etwas ausholen, und so luden Jérôme und ich die drei Émigrés zu einer heißen Schokolade ins Café Stein Ecke Friedrichstraße ein.
Bonneheure hatte sich wieder halbwegs in der Gewalt und überwand sich, Anne de Pouquets Brief nicht zu verbrennen, wie er immer wieder beteuerte. Er schwor, ihn ewig am Herzen zu tragen und so zunächst auch weiter vor der Polizei zu retten. Ein drittes Mal würden ihm die Inspektoren wohl ohnedies nicht zu Leibe rücken.
Die Parry’sche Anthologie war in den Besitz der Harfenistin übergegangen. Beatrice de Grève gab das Buch leihweise an de Paul weiter, der darüber sogar die Beschämung über die eigene betrügerische Anwandlung vergaß. Es kam heraus, dass Mâconnais-Rambouillon eine große Komposition für Konzertharfe bei ihm in Auftrag gegeben und vorab bezahlt hatte, die fast fertig war. Er wollte sie unbedingt zu Ende bringen, wie es hieß.
»Gibt es schon einen Favoriten für die Wohnung?«, fragte ich die Hausbesitzerin.
»Durchaus!«, entgegnete Beatrice de Grève. Man konnte ihr die Erleichterung anhören. »Dampmartins Bruder, der ihm übrigens wie aus dem Gesicht geschnitten ist.«
»Ach? Er saß neben mir auf der Wartebank in der Anatomie neben Mâconnais-Rambouillons größtem Feind«, sinnierte ich. »Neben Arrat!«
»Das wusste ich nicht«, sagte Beatrice de Grève beklommen. »Dass Arrat und Mâconnais-Rambouillon verfeindet waren.«
Ich hegte mehr und mehr den Verdacht, dass sie wenig wirklich interessierte außer der Harfe, der Musik und den Geistern. Als wir das überfüllte Café verließen, verkündete sie, von der frischen Winterluft beflügelt:
»Ich werde ein Konzert veranstalten, um die Geister der Toten und der Lebenden zu besänftigen! Dann werden Sie auch Gelegenheit haben, die Französische Vorstadt und ihre Bewohner etwas besser kennenzulernen!«
Fast hätte ich ihr entgegnet, dass mir der bisherige Bekanntschaftsgrad schon genüge, doch ich verbiss es mir. Die Aussicht auf den Hochzeitsabend versüßte alles, auch wenn ich es stark bezweifelte, dass das Wort einer noch unverheirateten Prinzessin von Mecklenburg gegen die Starre des preußischen Hofzeremoniells ankäme.
7
Tags darauf wusste schon ganz Berlin, wie es am Abend im Schloss noch zugegangen war, denn die kleine Schwester des schönen Louis Ferdinand, die spätere Fürstin Radziwill, hatte bei meiner Großmutter Leckereien eingekauft und dabei ihrer Lieblingsbeschäftigung gefrönt, dem Klatsch. Die dicke dumme Königin aus Hessen-Darmstadt hatte die jungen Prinzessinnen gerügt, als sie sich bei der Cour verneigten:
Wenn isch die Cour abnemm, geldet se aach misch allaa!
Ein neuerlicher Lacherfolg des
hessischen Lieschens
, wie unser vielgeliebter König sie nannte … Was das Berliner Publikum nicht weniger entzückte, war natürlich das Schlaglicht auf die Mode: In tief ausgeschnittenen, hermelinbesetzten lila Kleidern und Brillantkrönchen hatten die Prinzessinnen alle anderen Damen ausgestochen. Und waren wieder von der moralisch permanent entrüsteten Königin getadelt worden wegen der freizügigen
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