Der rote Salon
gehört hat.«
»Kirchengemeinde?«, bohrte ich weiter, weil ich an Jérômes Erzählungen von den Swedenborgianern denken musste. Und an die Geister in ihren Briefen.
Es war Bonneheure peinlich, denn er zierte sich sichtlich. »Gemeinschaft oder Zirkel eher …«
»Politisch?«, fragte Beatrice de Grève mit dramatisch hochgezogenen Brauen.
»Mehr religiös …«
»Hatte es mit Geistern zu tun? Mit Swedenborg?«
Keine Antwort.
»Der Comte war wirklich ein sehr verschwiegener Mann, wenn er sich nicht einmal seinem Sekretär anvertraute«, sagte ich entnervt. »Die Harfen, die nächtlichen Treffen … Der Comte war doch ebenfalls Mitglied dieses Zirkels, wie auch der Dritte im Bunde, Dampmartin …«
»Was die Harfe zu bedeuten hatte … Anne de Pouquet zierte sich erst, sagte es aber dann doch: Es war das Erkennungszeichen der
L’école d’Absolu,
der sie zugehörte«, sagte Bonneheure beklommen.
»Die swedenborgianische Gemeinde des Herzogs …«, sagte ich.
»Wessen Gemeinde?«, fragte die Hausherrin.
»Des Duc de Roux!«
»Das ist ja noch schlimmer!«, fauchte sie. »Das Religionsedikt! Mon Dieu! Und das in meinem Haus! … Was war das mit den Harfen?«
Sie konnte ihr brennendes Interesse stimmlich kaum bemänteln. Bonneheure erläuterte:
»Die Harfe stand für Reinheit. Der Comte de Mâconnais-Rambouillon, Alphonse Dampmartin und Anne de Pouquet waren, scheint’s, die einzigen Mitglieder, die den Terror überlebten, indem sie rechtzeitig emigrierten. Sie trafen sich in Berlin wieder. Ich trat erst hier in Mâconnais-Rambouillons Dienste, daher weiß ich so wenig über seine spirituelle Existenz und seine Freunde aus Frankreich.«
»Ich hörte von diesem Kreis in Paris«, hauchte Beatrice de Grève. Ich hatte den Eindruck, dass sie weit mehr über diese
L’école d’Absolu
wusste.
»Die drei trafen hier zufällig aufeinander?«, fragte ich ungläubig.
Berlin war zwar um ein Vielfaches kleiner als Paris, aber dennoch war Glück vonnöten, wenn man einander ganz ohne Absprache über den Weg laufen wollte.
»Zufällig wohl nicht. Im Grunde bin ich schuld!«, bekannte die Hausherrin. »Meine Harfenkonzerte lockten Anne de Pouquet an. Sie kam regelmäßig, spielte mehrmals … Nachdem Gaston Armand Comte de Mâconnais-Rambouillon hier einzog, war sie häufiger im Palais, auch ohne dass ein Konzert den Anlass gab. Ich begegnete ihr, und sie tat schamhaft. Dabei war mir doch nicht verborgen geblieben, wer ihr schöne Augen gemacht hatte.«
Es genierte sie, dass sie mir dies verschwiegen hatte und die Gewalt meines Einbruches es nun aus ihr herausbrachte. Angst vor der Polizei schien der alleinige Grund für ihre Zurückhaltung gewesen zu sein. Sah ich etwa aus wie ein Polizeispitzel?
»Ich nehme an, dass Sie der Grund für Anne de Pouquets Besuche in diesem Haus waren?«, fragte ich Bonneheure. Er nickte scheu.
»Aber Sie wissen nicht, was sie hier taten, die drei Reinen? Waren Sie auch so brav, Monsieur Bonneheure, wie der gute Diener Karl, der sich lieber an seinem Silberputztuch erhängt hätte, als sich einen Blick hinter die Kulissen der Soiréen zu gestatten?«
Er hustete, unsicher, ob er sein Vergehen zugeben sollte.
»Einmal trieb mich die Neugier und ich lauschte. An dieser Tür hier …« Er deutete auf das Eingangsportal. »Auch das Schlüsselloch bemühte ich, doch ich sah nichts. Was ich hörte, waren Gebete, Anrufungen, seltsame Formeln … Anne wollte mir partout nichts darüber sagen. Es würde die Kraft ihrer Zitationen und Beschwörungen mindern, meinte sie. Sie war sehr geistergläubig. Und sagte von sich selbst, dass sie die Fähigkeit besitze, Geister anzuziehen undeine Verbindung zu ihnen herzustellen. Das scheint sie prädestiniert zu haben, am Kreis des Duc de Roux teilzunehmen …«
Er schwieg, aber ich glaubte, er könnte doch mehr dazu sagen. Ob vielleicht in Annes Brief an ihn etwas stand, das mich weiterbringen würde? Ich hatte Scheu, ihn um Einblick zu bitten. Aber sollte ich es nicht doch tun? Nach kurzem Hadern entschied ich mich, damit noch zu warten.
»Alter König,
das hörte ich einmal, auch das seltsame Wort
Aparellamentum
…«, ergänzte Bonneheure.
Alter König
… Ich zog den Parry aus der Tasche. Die Harfenistin nahm ihn mir verzückt aus der Hand.
»Das gehörte ihr, Anne de Pouquet! Sie spielte daraus!«
Ich sah de Paul strafend an. Er hatte kein Glück, das war offensichtlich. Jetzt war auch sein Betrugsversuch offenkundig geworden.
»Sie
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