Der rote Salon
die Technik der Laterna magica aus.
»Wie würden Sie es machen, Marquis, wenn Sie erreichen wollten, dass eine Projektion einer menschlichen Gestalt im Raume plastisch und wie lebensecht hervorträte?«
Jérôme, bei seinen Lieblingsthemen gepackt, vermochte nicht zu widerstehen. Er hätte dem erbittertsten Konkurrenten die letzten Geheimnisse ausgeplaudert. Diesmalsagte ich nichts, denn es stand nicht zu befürchten, dass der Minister etwas Geschäftsschädigendes im Sinn hatte. »Nun, ich würde vielleicht Nebel oder Dampf verwenden, um das Bild aufzufangen. Ich könnte mir vorstellen, dass das recht figürlich wirken dürfte.«
»Auch ließe sich«, warf ich ein, »eine Art dünnes, sehr feines, hauchzartes Milchflorgewebe als Projektionsfläche in den Raum stellen. Der Qualm wäre ebenfalls nützlich zu verwenden: Auf diese Weise hätte die Gestalt feste Umrisse, nur die Glieder würden sich bewegen, unscharf vor lauter wallendem Dunst.«
»Das ist phänomenal, Marquise, was soll ich sagen!«
Hätten wir gewusst, was er mit seinen Fragen bezweckte, wir hätten uns bedeckt gehalten. Damals fanden wir es schlicht aufregend, mit einem Mann zu sprechen und gar von ihm durch die Menge der Versammelten geführt zu werden, der Cagliostro und den Grafen von St. Germain persönlich gekannt und beim Selbstmord Johann Georg Schrepfers zugegen gewesen war – jenes als Scharlatan verschrienen Mannes, der ihn ein Weilchen mit seinen Methoden der betrügerischen Geisterseherei bekannt gemacht hatte, bevor er preußischer Außenminister geworden war.
»Da ist Prinz Louis Ferdinand!«, sagte Bischoffwerder nebenhin.
Mein Herz stockte. Dieser Prinz war noch verführerischer, als ich gehört hatte. Groß, schlank und schön wie Apollo, von einer verwegenen Zartheit, anders kann ich es nicht sagen. In der prächtigen Uniform seines Regimentes sah er aus wie der Kriegsgott selbst, wie der vornehmste Herr der Welt. Jetzt sprach er, er hatte ein volltönendes, musikalisches Organ. Wie gern würde ich etwas von seinen Musikstücken aufgeführt hören, dachte ich, ohne zu ahnen, dass mein Wunsch binnen Stundenfrist erfüllt würde.
Die Erläuterungen unseres privaten Conferenciers rissen nicht ab. Bischoffwerder berichtete, nachdem er auf seine Taschenuhr geschaut hatte, die kurz nach sechs anzeigte:
»Im Zimmer der Regierenden ist die Braut mit Krone und Fächer ausgestattet worden. König, Königin, Braut und Bräutigam werden gleich hereinkommen. Anschließend nimmt der Brautzug seinen Anfang. Wir müssen die Königinwitwe in ihren Gemächern abholen. Sehen Sie, da drüben ist die Baranius. Da die Schulsky und daneben … die Rietz. Des Königs Mätressen. Arme Königin …«
Ich fand die Baranius bei Weitem schöner als die Rietz, doch über den Geschmack des Königs ließ sich schwerlich streiten. Hätte ihn nicht die ausschweifende Neigung aus dem Schloss in die Betten halb Berlins getrieben, so hätte es die Königin getan, eine dicke Frau mit geringen Geistesgaben, wie allgemein bekannt war, die im Alter zur körperlichen Hässlichkeit die Unart angenommen hatte, mit dem Kopf zu wackeln. Dass sie ihm sieben Kinder geschenkt hatte, stand auf einem Extrablatt. Viel gekümmert hatte sie sich nicht um sie. Sie wohnte im Sommer in Schloss Monbijou und sah angeblich Gespenster. Taten das nicht fast alle in jenen Tagen? Hätte es irgendjemanden gewundert, wenn plötzlich Voltaire und sein großer Freund durch den Raum spaziert wären? Mit den Geistern der königlichen Leib-Barsois?
Bischoffwerder wollte nicht zum Ende kommen. Die Kammerherren des Königs, sämtlich Émigrés, kamen zur Aufzählung:
»Der Chevalier Saint-Paterne, die Marquise von Nadaillac, der Abbé d’Andelard, Prinz Moritz de Broglie, der Chevalier Saint-Ygnon. Ein Possenreißer … offiziell als Vorleser eingestellt, aber – pah! Da lese ich ja besser vor!«
Bischoffwerder nickte, er hatte in meiner fragenden Miene richtig gelesen:
»Seine Majestät leidet nur noch Émigrés um sich – die temporäre politische Frankophobie einmal außer Acht gelassen. Königstreue Franzosen sind ihm am liebsten, denn er fühlt sich gern wie Gott in Frankreich. Ich bin mir sicher, der König würde es schätzen, wenn ein so berühmter Aeronaut wie Sie – pardon, Madame: wenn zwei so erfahrene Luftschiffer, wie Sie beide es sind …«
Wir ließen ihn nicht ausreden und wehrten dankend ab. Jeder andere hätte sich Arme und Beine ausgerissen, wenn ein enger
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