Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
Vom Netzwerk:
italienische, französische, holländische Motive – ein jedes in eigener Behandlung, festlich, vornehm, niemals absinkend in barockes Getöse. Alles immer wieder überwölbt von Farben und Gold, kontrastiert mit Samt und Brokat, edlen Hölzern, filigranen Intarsien, kristallenen Leuchtertrauben. Samtene Portieren, silberne Leuchter, Stutzuhren und Vitrinen, Gläser aus Böhmen und Fayencen aus Frankreich – das war die Welt, die der große Schlüter für den ersten König in Preußen geschaffen hatte. Der erste Friedrich träumte von einem starken und großen Preußen. Sein Enkel hatte es halbwegs erstritten. Sein Urgroßneffe jedoch war jetzt dabei, es wieder zugrunde zu richten.
    Mag sein, dass ich manches hoffnungslos durcheinanderbringe, noch heute geblendet von all dem Reichtum. In der Erinnerung zerschmilzt mir das große Schloss zu einereinzigen gewundenen Rocaille. Vielleicht liefen wir erst durch die Prunkräume des großen Friedrich, ach, es ist gleich … Die künftige Kronprinzessin schritt langsam, im Glanze ihrer Schönheit, durch die gedrängt gefüllten Räume: Sie tat es würdevoll und gesenkten Hauptes, aus Demut vor Gott, da er ihr so viel Gnade erwies. So zumindest erschien es mir, und auch alle anderen Gäste zeigten sich beeindruckt von ihrer Anmut. Wie entzückend die Prinzessinnenkrone in ihrem aschblonden Haar saß!
    Wir holten mit diesem eigenartigen Umzug die noch immer munter fortlebende, im Alter immer schöner werdende Gattin Friedrichs des Großen aus ihren Gemächern ab, damit sie der Trauung im Weißen Saale beiwohne. Dorthin zurückzukehren, machte jetzt alles kehrt. Das Brautpaar, die Königinwitwe, der König und die Königin setzten sich wieder an die Spitze. An einer Stelle teilte sich die festliche Polonaise: durchs Giganten-Treppenhaus auf zwei Schnecken hinab und dann verkehrt herum wieder herauf.
    »Zweite polnische Teilung!«, scherzte Bischoffwerder recht grob, doch wir mussten lachen. Er war es gewesen, der die für Preußen so vorteilhaften Verhandlungen geführt hatte. Der Menschenstrom teilte sich, und ich sah Arrat und Dampmartin auf der anderen Seite herablaufen. Ich gab meinem Mann ein Zeichen und die Sporen – und uns beiden den Anschein, als wollten wir uns ums Treppensteigen drücken. Schon querten wir auf dem schmalen Treppenabsatz und liefen direkt vor den beiden. Ich erkannte die Stimmen. Ob sie uns nicht erkannten? Nicht mit uns rechneten an diesem Ort? Es war Arrat, dessen Französisch wir zuerst hörten:
    »Was wollen sie? Millionen Seelen mit mystischem Zauber, Geisterbeschwörungen, göttlichen Zeichen und Geboten vor dem Untergange retten und alle abtrünnigen Schafewieder zum Glauben an Jesum zurückführen? Ich habe die Kabbala in den Köpfen der Freimaurer unterschätzt. Für mich waren einst die großen libertären Ideale maßgeblich. Sie wissen, was ich vom Kreuzträger halte. An seinen Vater, den Baumeister der Welten, nicht zu denken. Dass aus einem kräftigen Grundgedanken einmal so eine billige Attrappe aufschießen würde, hätte ich nie für möglich gehalten!«
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung, woraufhin sein Nebenmann, Dampmartin, fortfuhr:
    »Wöllners Hauptloge heißt
Orden vom Goldenen Rosenkreuz nach altem System
. Zwar ruht offiziell alle Aktivität, doch über ein geheimes Gremium scheint man Mittel und Wege gefunden zu haben, die Logenarbeit in kleinsten Zirkeln fortzusetzen. Sie nennen sich
die Stillen im Lande
. Weiß der Kuckuck, was es bringen soll, täglich zu fasten, zu beten und sich zu kasteien. Zeit- und Geldverschwendung verwirrter Geister. Gold machen zu wollen bedeutet, Geld zum Fenster rauszuwerfen. Und die Geister der Ahnen zu beschwören, kann eine tödliche Angelegenheit sein. Die Geister sind nicht immer friedlich.«
    Er lachte sarkastisch, und mein Herzschlag setzte aus. Spielte er damit auf die tödlichen Riten im roten Salon an? Dass es um Freimaurerei und ihre Sumpfblüte: die Gold- und Rosenkreuzerei ging, war mir sofort klar. Der altvertraute Muff der alchemistischen Logenbrüder wehte mich an, die sich mit dem Geheimwissen brüsteten, Gold, den Stein der Weisen, das Allheilmittel Theriak und das ewige Leben erschaffen zu können. Gottvertrauen, Gebet und ein Reagenzglas … Die Geisterbeschwörung war mir neu in diesem Zusammenhang. Eine swedenborgianische Zutat, wie es schien.
    »Wenn wir den Dicken von einem Schulterschluss mit Malmaisonabbringen wollen, muss das ideologische Gewissen schweigen!

Weitere Kostenlose Bücher