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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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war mein Bruder eines der Opfer. Es ist schrecklich für mich gewesen, ihn nur noch tot anzutreffen, denn wir hatten uns auf das Wiedersehen gefreut, auch wenn wir politisch nicht immer einer Meinung waren. Er gehörte einem Zirkel an, in dem die Zitation der abgeschiedenen Seelen zelebriert wurde. Oft hat er mir den Ritus beschrieben – ohne indes so genau zu werden, dass ich ihn hätte nachvollziehen können ... Nun, um es kurz zu machen: Ich glaube, dass die letzte Anrufung einen gewaltigen Ahn aufgeweckt hat, dessen unbändiger Zorn sich gegen diejenigen richtete, die ihn zu Hilfe riefen. So wie die Wut über die schlechte Nachricht in vergangener Zeit nicht selten den Boten das Leben kostete.«
    Nach einem anfänglichen Durcheinander aufgeregter Stimmen sagte Wöllner, bewegt:
    »Ich verstehe, was Sie sagen wollen: Das Zitieren der Geister ist mit elementaren Gefahren verbunden. Doch ich verstehe noch nicht, was uns dies in Bezug auf Malmaison ...«
    »Es steht zu befürchten, dass das Geld, welches der König von Preußen für Malmaison aufwenden will, direkt in den Händen von Deserteuren und letztlich denen der Jakobiner landen wird – Malmaison ist ein Betrug!«
    Das war klug ausgedacht. Am Ende wollten sie das Geld des Königs transportieren, zum sicheren Einsatz gegen dieRevolution. Zwei Revolutionäre in der Höhle der Monarchie. Ich musste den König warnen, unter Umgehung der Camarilla, die ihn abschirmte. Ich hatte auch schon eine Idee. Selbstverständlich würde ich den Kronprinzen ins Bild setzen. Indem ich die Kronprinzessin einweihte ...
    »Welche Sicherheiten können Sie uns verschaffen für Ihre Behauptung?«, fragte Wöllner.
    »Das Urteil der Geister selbst!«, konterte Dampmartin.
    »Der König sollte an einer Zitation teilnehmen, um den Willen der Geister aus erster Hand zu erfahren! Ihm werden die Schemen nicht zu Leibe rücken. Er ist von ihrem Stand. Sie wüten nicht gegen Gleichrangige.«
    Wann soll die Befragung Ihrer geschätzten Meinung nach stattfinden?«
    »In der hohen letzten Nacht des Jahres, schlage ich vor! Eine gute Gelegenheit wäre die Stunde nach dem Harfenkonzert im ehemaligen Palais Vernezobre. Es wird von zehn Uhr an bis in die Geisterstunde hinein in eben dem Salon stattfinden, in dem Bruder Dampmartin nun wohnt.« Arrat machte eine effektvolle Pause. »Es ist der Ort, an dem die Geister ihre Macht so gewaltvoll verströmten ... Bruder Dampmartin und ich werden einen erfahrenen Magier bitten, uns die Methoden vorzuführen, die man in den mitternächtlichen Provinzen von Frankreich, basierend auf den Lehren des Schweden, gefunden hat.«
    »Kennen wir diesen Magier?«, fragte Bischoffwerder.
    »Wenn Sie je Gelegenheit hatten, Gast des Chan von Buczac zu sein, so haben Sie ihn erleben können.«
    »Bedaure, so verpasste ich ihn.«
    »Oder beim Grafen Ompteda in Stockholm? Dort war er kürzlich, bevor er nach Berlin kam!«
    »Auch dort sah ich ihn nicht.«
    Bischoffwerder schaute in die Runde, doch keiner derHerren hatte die Freude gehabt, besagten Magier bereits kennenzulernen.
    »Sein Name ist Beppo Andalo. Er hat seine erste Berührung mit dem Okkulten 1779 in Petersburg erlebt, wo der große Cagliostro einst von sich reden machte.«
    »Dort hätte ich ihm begegnet sein können!«, sagte einer aus der dunklen Runde, der damals an der Seite einer Frau von Recke den berühmten Betrüger erlebt haben wollte, den die heilige Inquisition erst zum Tode, dann zu lebenslanger Haft verurteilt hatte.
    »Er war nur ein Zuschauer, er trat noch nicht hervor«, respondierte Dampmartin.
    Wöllner straffte sich. Aus seinen Gesten wurde deutlich, dass er das Zusammenstehen gleich für beendet erklären würde.
    »Wir werden
Ormesus Magnus
fragen. Angesichts der triftigen Gründe, die vorgebracht wurden, scheint mir seine Teilnahme sicher zu sein! Majestät werden auf die Methoden, von denen Sie sprechen, sehr gespannt sein! Der von Ihnen genannte Magier ... äh ...
Andalo
... muss sich mir aber zuvor persönlich offenbaren. Sie werden verstehen, werte Brüder, dass wir keinen Wildfremden in unsere Kreise einlassen. Wir verlangen eine Probe, einen Ausweis seiner Fähigkeiten.«
    Arrat und Dampmartin nickten zustimmend.
    »Selbstredend, lieber Bruder! Dies kann indes nur unmittelbar vor der Zitation geschehen, denn Andalo weilte bis gestern noch in Dresden und hat sich bis zum hohen Tag des Altjahrs ein striktes Silentium auserbeten, da er sonst nicht die nötige Konzentration aufbringen

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