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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Dafür sollten wir uns das geistige Habit der christlichen Maurer und Okkulten überstreifen.«
    »Keine bessere Methode, ihn zu etwas zu bewegen, sagte mir Bischoffwerder nach drei Bouteillen Bourgogner, als die Geister der Ahnherrn herbeizurufen und ihm sagen lassen, was er tun soll. Er tut’s unbesehen …«
    Dampmartin grinste. Sein Gesicht spiegelte sich in einem speckigen Vasenbauch zu unserer Linken.
    »Absurder Mummenschanz, unter uns gesagt«, erwiderte Arrat. »Einfach für uns, wenn es denn stimmt. Der Dicke wird das Fürchten lernen.«
    »Schscht!«, schschte Dampmartin. »Einmal zu spät gekommen zu sein, sollte uns genügen. Wir müssen den Schaden gering halten. Ich will dieses verdammte Land aufrecht wieder verlassen! Hier drüben ist es …«
    Es ging zurück in den Weißen Saal, doch die beiden eilten in den Abzweig zum Altangebäude. Jérôme schaute mich genauso fragend an wie ich Jérôme. Doch er wäre nicht Jérôme gewesen, wenn er nichts dazu zu flüstern gehabt hätte: »Comte de Mâconnais-Rambouillon-Malmaison – so lautete der volle Name des Comtes. Malmaison ist sein Geburtsort, er liegt recht versteckt in der Vendée, etwas südöstlich von La Rochelle. Ich war einmal dort, das uralte Herrenhaus steht in einer verschatteten, morastigen Senke, die im wärmsten Sommer noch feucht ist. Die Mauern sind mürbe und wenig vertrauenerweckend, daher der Name
Schlechtes Haus
… Sicher ein triftiger Grund, zur Geisterseherei und Ahnenbeschwörung zu finden.«
    »Der Comte? Wen wollen Arrat und Dampmartin zur erzchristlichen Maurerei bekehren? Arrat ist doch der Religionsfeind par excellence!
Der Dicke?
Wer ist gemeint?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht. Doch hoffentlich nicht unser König? Klang es nicht auch nach Goldmacherei? Rosenkreuzerei?«, mutmaßte Jérôme.
    »Natürlich! Sind die zwei vielleicht vom höchsten Logenbruder eingeladen? Wöllner? Oder von Bischoffwerder? Und … ist nicht auch der Polizeichef Freimaurer? Deshalb also spazieren sie hier einfach so unter den Notablen … Für mich klang es vor allem nach Schlamm und Moor und unsicherem Grund. Mit einem Wort, nach Politik!«
    Jérôme schloss seinen unvermeidlichen Exkurs an, in dem zum ersten Mal von Napoleon die Rede war. Jetzt, wo alles vorüber ist, darf ich es ja eingestehen: Mein Mann war ein glühender Verehrer des kleinen Korsen, ja – er ist es noch immer, darin gleicht er dem Geheimen Legationsrat in Weimar, der einen kleinen goldenen Napoleon in einer seiner Sammlungsvitrinen beherbergt …
    Wir waren stehen geblieben und sahen uns in den Reihen der Zuschauer, die den Hochzeitszug atemlos mit den Augen verfolgten. Jérôme also:
    »Hm, schon möglich, um nicht zu sagen: höchstwahrscheinlich!
Malmaison
könnte für Konterrevolution stehen. Klingt nach einer neuen Allianz gegen Paris, jetzt, da die ersten Offensiven in der Vendée so grandios gescheitert sind. Die Aufstände liefen planlos ab, bis junge Aristokraten die Bauernheere angeführt haben. Beim Ausbildungsstand der Revolutionsarmee war das nicht ohne Chance auf Erfolg. Aber inzwischen haben die Regierungstruppen dazugelernt. Es gibt einen sehr erfolgreichen neuen Mann. Er kämpfte auf Korsika und hat das aufständische Toulon von den Briten zurückerobert. Vor elf Tagen! Es stand gestern im
Journal
. Jetzt soll er Brigadegeneral werden – mit vierundzwanzig! Robespierres Bruder hat eine republikanische Schrift von ihm drucken lassen. Ich glaube,man wird noch von ihm hören. Momentan ist er nach Ägypten unterwegs.«
    »Arrat und Dampmartin wollen verhindern, dass der dicke Willem einen zweiten großen Aufstand unterstützt! Vielleicht mit Truppen!«, sagte ich.
    »Preußen hat doch gar keine Flotte!«, wendete Jérôme sehr richtig ein. »Wie sollten sie denn auf dem Landweg in die entfernte Vendée an der Biskaya kommen? Verkleidet durch die ganze Republik? Ich glaube eher, dass er Geld für Bewaffung geben würde.«
    Die Schurken hatten natürlich den König gemeint, der seine volkstümlichen Spottnamen nicht zu unrecht trug: Der kleinste gemeinsame Nenner lautete stets
dick
.
    »Klingt durchaus plausibel«, musste ich mich selbst loben.
    »Dann haben Anne de Pouquet und ihre Freunde auf besagten Schulterschluss hingearbeitet. Sie waren in des Ducs Reinheitsschule und standen also Malmaison nahe. Die zwei hinter uns haben sie umgebracht im Auftrag des Wohlfahrtsausschusses. Arrat und Dampmartin sind Jakobiner, nach wie vor. Dass sie hier als

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