Der rote Salon
Vertrauter des Königs eine solche Anspielung gemacht hätte, doch uns war die Erhöhung an diesem Abend schon unheimlich genug. Zu Gespielen des Monarchen werden? Des Königs Luftschiffer? Nein, danke! Die Nähe zu den Großen hat etwas Zerstörerisches, etwas Unzartes … Das hatten Voltaire, Maupertuis, La Mettrie und andere viel zu schmerzhaft erfahren müssen und beschrieben, als dass wir auf eine eigene diesbezüglichen Erfahrung erpicht gewesen wären.
Jérôme stieß mich an.
»Sieh mal – Arrat und Dampmartin verstärken den Pulk der Royalisten!«
Zwei Männer, die mit einem Verbrechen in Verbindung standen, von dem die Metropole sprach! Und hier tummelten sie sich seelenruhig im Kerzenschein um den König, wie Nachtfalter um die Lampe tanzen …
»Guten Abend, Herr Polizeipräfekt!«, rief Bischoffwerder, den angesponnenen Gedanken, uns beim König einzuführen, fahren lassend wie das Haltetau eines sanft entschwebenden Aerostaten.
Distel kam auf uns zu, und ich sah in seinem Blick, dass ihm unsere Gegenwart ebenso wenig gefallen wollte wie die der Franzosen um den König.
»Wann bekomme ich meine Briefe zurück, Monsieur?«
Er knirschte förmlich mit den Zähnen über diese Anrede. »Zu gegebener Zeit, Frau de Lalande. Wir sind noch keineswegs mit der Evaluation dieser Dokumente fertig geworden. Ihre Briefe sind nicht die einzigen, die mir vorliegen.«
Ich merkte, dass Jérôme innerlich kochte. Jetzt entlud sich sein Zorn:
»Es mag Ihnen nicht viel daran liegen, Monsieur le préfet, aber es wäre doch schön, wenn Sie sich des Standes meiner Gemahlin entsännen!«
»… des Standes in einem untergegangen Land, mein Herr, in einem guillotinierten Land! Ein solcher Stand interessiert mich rein gar nicht!«
Er hatte es mehr gefaucht als gesagt, und in seinen sonst grauen Augen funkelte es gefährlich.
»Adel kennt keine Grenzen und Staaten«, erwiderte Jérôme süffisant. »Eine Marquise bleibt eine Marquise, ein Marquis ein Marquis … während ein Präfekt – …«
Die Adern schwollen an Distels Schläfen.
»Gemach, gemach! Meine Herren!«
Es war der Justizminister Wöllner, der dazwischenfuhr: eine schmächtige Gestalt mit viel zu großem Kopf und hässlichen, grobschlächtigen Gesichtszügen, die man eher an einem Rossknecht oder Schwerverbrecher erwartet hätte. Narben entstellten es.
»Herr Distel! Marquis! Ich bitte Sie! Vergessen Sie nicht den freudigen Anlass, der uns hier zusammenführt! Ich weiß wohl um die Anspannung, die über der Stadt liegt. Doch wir sollten uns nicht zu Ehrenhändeln versteigen … Was halten Sie davon, sich zu entschuldigen, Präfekt?«
Distel murmelte etwas Unverständliches und verfügte sich eilends aus dem Raum, um eine Runde bei seinen Leuten zu machen. Jérôme lächelte schwach und zuckte die Achseln.
Sich mit einem solchen Mann zu schlagen, war der Mühe nicht wert. Das sah auch Bischoffwerder so, der ihn bei der Schulter fasste, auf die Durchgänge am Ende des Saales deutete und sagte:
»Da sind sie!«
Man raunte. Dann wurde es ruhig. Das Knistern der Seide trat stärker in den Vordergrund, es schien, als strahlten die Kronleuchter heller. Der König, eine voluminöse blaue Gestalt mit großem Silberstern auf der Brust, hatte den Raum betreten, ebenso die Regierende Königin Friederike Luise. Es folgte das hohe Paar, mit reichem Gefolge, nämlich der Großmutter und dem Vater der Braut – Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz –, ihr Bruder Georg, Schwester Friederike nebst Schwager Ludwig, Schwager Wilhelm und weiteren Preußenprinzen. Sie schritten durch die Tür links vom riesigen offenen Kamin herein, in dem ein Höllenfeuer unterhalten wurde, das die Temperatur im Raum dennoch um kaum mehr als ein Grad Reaumur über der des Schlosshofes zu halten vermochte.
Braut und Bräutigam machten die Honneurs und kamen auch bei uns vorbei. Mir verschlug es den Atem, als sie sich näherten. Die künftige Kronprinzessin überstrahlte alle! Ihr Ausschnitt war mit Diamantrosetten gesäumt! Ich erkannte das brillantene Bouquet, das Geschenk des Königs, von dem die Schwester des schönen Louis Ferdinand gesprochen hatte. Luise trug es leger zwischen die Brillantrosetten gesteckt … Das große Decolleté zu bedecken, diente indessen das Kroncollier.
Mir wurde ganz blümerant, als ich diesen kleinen Läufer aus Brillanten unmittelbar vor mir strahlen sah, und ich fürchtete, blind zu werden davon. Luise hatte Diamanten im Wert von einer halben Million
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