Der rote Salon
Taler am Hals. Im Haar saß ihr die Diamantkrone der Prinzessinnen von Preußen,und in der Hand hielt sie einen kleinen Fächer aus geschlagenem Dukatengold, selbstredend mit Brillanten besetzt, mit was sonst? Das Brautkleid – aus silberfarbenem Atlas – hatte eine sehr modische enge Taille, kurze, bis zum Oberarm gebauschte Ärmel, einen weich und füllig die Gestalt umhüllenden Rock und eine lange Schleppe, die zwei Pagen … schleppten …
Die schnarrende Stimme des hageren blonden Mannes an ihrer Seite, der in seiner schmucken blauen Paradeuniform mit weißen Hosen, rotem Revers und silbern eingesticktem Ordensstern nebst gleichfarbigen Tressen wie ein Abbild des jungen großen Friedrich wirkte, brachte uns in die Realität zurück.
»Famose Geisterlampe! Enormer Schreck! Vater kalkweiß! Muss unbedingt einen Streifen mit unsrer Hochzeit haben! Kriegen das hin?«
Er lachte uns beide an, bevor er Bischoffwerder ziemlich reserviert zunickte.
Die Prinzessin glühte vor Aufregung. Aber echte Freude über den Mann an ihrer Seite sah ich nicht in ihren Augen. Was war geschehen in den vergangenen Stunden? Ich schrieb es der Anspannung zu. Man beäugt auch ein Brautpaar stets viel zu streng, fast inquisitorisch. Als sei man Augur genug, um aus Nebensächlichkeiten auf das Schicksal einer Ehe zu schließen.
»Wünschen Sie mir Glück, teuerste Freundin, dass ich nicht in Ohnmacht falle«, hauchte sie, was ich gern versprach. »Ich habe mehr Geld am Leib, als mein Vaterland bei jeder Versteigerung einbringen würde …«
»Mögen entschuldigen?«, raunte der Kronprinz mit einem versteinerten, vor Ernst und Anspannung wächsernen Gesicht und fügte leiser an: »Werden erwartet! Müssen zu Tante Lisbeth!«
Luise und ich tauschten noch einen Blick, doch mein Lächeln blieb unerwidert. Es lag etwas Flehendes in ihren Augen. Das Brautpaar strebte den Majestäten zu.
Es war halb sieben. Nachdem man Luise mit den letzten Insignien versehen und vollends geschmückt hatte, begannen auf einen geheimen Wink hin die Glocken der Schlosskapelle zu läuten. Von diesem Zeichen gerufen, setzten, schwach hörbar durch die hohen Fenster, die Geläute der sämtlichen Berliner Kirchen ein, sechzehn große und ungezählte kleine. Feierlich begann sich der Hochzeitszug in Bewegung zu setzen. Im Kerzenlicht glänzten Korridore und Säle. Die Paradekammern König Friedrichs I. waren eigens zu diesem Anlass geöffnet und hergerichtet worden.
Ob eine Zeit kommen wird, in der das schwülstige Schloss der Könige von Preußen, dieses Labyrinth aus Treppenhäusern und Sälen, nicht mehr steht? Nicht auszudenken. Ich zumindest kann es mir nicht vorstellen. Doch dem, der den großen Bau nicht kennte, könnte man seinen Charakter nicht besser beschreiben als mit einer Skizze der vom großen Schlüter entworfenen und ausgestalteten Raumflucht. Es war das erste und einzige Mal, dass ich sie sah und ihre Atmosphäre erlebte: den Elisabethsaal, die neue Kapelle und den Rittersaal – ein Traum in Silber, Gold und Honigtönen, in den wir später zur Hochzeitstafel wieder zurückkehren sollten. Über den geschnitzten Türen, blattvergoldet, symbolisierten prächtige Figurengruppen die vier Weltteile. Der Balkon für die Musikanten, einst aus massivem Silber, war vom großen König für Kriegskosten eingeschmolzen und durch eine bemalte Holzkopie ersetzt worden. Doch das vergoldete Silber, von dem wir später aßen, war echt, an diesem Glauben wollte ich festhalten, das schwor ich mir. Allein die sich dem Rittersaal anschließendenGemächer hatten eine Gesamtlänge von fast siebzig Metern nach der damals brandneuen, vom Wohlfahrtsausschuss eingeführten Längendefinition. Es muss einmal gesagt werden: Mitunter schufen die Jakobiner auch Gutes! Über ihren lachhaften Kalender dagegen will ich lieber schweigen …
In den Empfangsräumen herrschte ein höllischer Radau, als wir vorüberzogen, denn hier hinein hatten, symbolische Eintrittsbillets in den Händen, Berlinerinnen und Berliner aller Stände Zutritt erhalten, um das Brautpaar zu sehen.
Im Spreeflügel folgten die Brandenburg- und die Drapd’or-Kammer. Überall in der Vielfalt der prunkenden Formen lebte die überwältigende Harmonie des Rittersaales wieder auf – im Schweizer Saal, in der roten Samtkammer, der Schwarzen-Adler-Kammer, in den nobel zurückhaltenden Königskammern. Üppiger Stuck, Vasen mit schwellenden Pflanzen und Ranken, Kaminnischen mit zartem oder wuchtigem Aufbau,
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