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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Halbdunkel bemerkte, und schrie, dass man es sicher bis in den Weißen Saal hin hörte! Der Ritter kicherte.
    »Zur Hölle, Jérôme! Willst du mich los sein? Ich wäre fast gestorben vor Schreck!«
    Er trat hinter dem Eisenhans hervor, den er beim Schlafittchen gepackt und leicht geschüttelt hatte.
    »Ich wollte nur mal sehen, wie abgebrüht meine Kriminalinspektorin wirklich ist!«
    Manchmal hat mein Liebster einen höchst eigenartigen Humor ... Wir waren um die nordwestliche Ecke des Neuen Schlosses herum und standen wieder mitten im Lustgartenflügel. Wir konnten nicht anders, wir mussten noch einmal in den Alabastersaal ...
    Innige Umarmung und Kuss währten lange zwischen alten Schränken, Gipsreliefs, Statuen und Podesten, Säulenstümpfen und Konsoltischen sowie Türmen aus Stühlen. Doch plötzlich wurde Jérôme hellhörig.
    »Da kommt etwas! Hoffentlich was Menschliches ...«
    »Du willst mir schon wieder Angst machen!«, sagte ich lachend, doch er legte mir die Hand auf den Mund. Rasch und lautlos flohen wir in den Schutz einer Höhle hinter Sofas und alten Wandteppichen und hörten, zu Boden gekauert, Geflüster, leises Lachen. Ein Liebespärchen!
    »Lass sie uns tüchtig erschrecken!«, sagte Jérôme, der Herzlose. »Wir kommen hier sonst nie wieder raus!«
    Ich wollte gerade zustimmen – da erkannte ich die Stimme der Kronprinzessin. Lautlos glitten wir in den Schatten eines Schrankes.
    »Wohin führen Sie mich, mein Lieber?«, fragte Luise lachend, um ihr Kleid besorgt zum dreiarmigen Kerzenleuchter Abstand haltend, den ihr Begleiter trug. Die Schleppe immerhin war verschwunden.
    Ich erwartete den Kronprinzen. Doch der Mann an ihrer Seite war kein anderer als ... der Onkel dritten Grades ihres Mannes! Prinz Louis Ferdinand!
    »Was trieb Sie nur, Verehrteste, sich gerade mir anzuvertrauen? Wissen Sie denn nicht, dass ich als der sittenloseste und verdorbenste Prinz verschrien bin?«
    Sie lachte, fast ein wenig so, als sei ihr dies gerade recht.
    »Ich vertraue Eurer Tugendhaftigkeit gegen die künftige Königin dieses Landes! Ihr würdet Eures Lebens nicht mehr froh, wenn mein Mann uns so erwischte ... Hier ist nicht mehr K***, mein Lieber ...«
    Man sehe es mir nach, dass ich über diesen Ort verschwiegen bleibe ... Sie schien dies alles für einen hübschen Spaß zu nehmen. Er suchte sie mit seinem freien Arm zu umfangen, doch sie drehte sich und entschlüpfte ihm, huschte zum Fenster, blickte auf den Schlosshof hinunter, wo das Volksfest tobte. Ahnte sie denn nicht, in welcher Gefahr sie schwebte? Der Ruf des Prinzen von Preußen, des Schulden machenden Schönlings, war nicht weiter zu ruinieren. Für sie aber würde eine Entdeckung weit schlimmere Folgen haben: Man könnte die Ehe noch in der ersten Nacht annullieren und sie nach Darmstadt zurückschicken!
    »Prinzessin, seien Sie ganz ohne Furcht! Ich würde ein solches Risiko niemals auf Ihren ... zauberhaften ... Schultern ruhen lassen! Es soll nichts geschehen, was Sie beschämen müsste, niemals! Im Gegenteil. Es soll Sie erfreuen! Denn wie ich Sie versichere, ist mein herzinnigstes Streben ganz darauf gerichtet, Sie glücklich zu sehen! Da Sie mir nun Ihre tiefe Liebe zur Musik sowohl durch Ihren zauberhaften Mund als auch durch die unübertreffliche Anmut Ihres Tanzes enthüllt haben, kam mir in Erinnerung, was hier in dieser Gruft verborgen steht...«
    Ich sah, wie sie zögerte. Doch ich sah auch, wie schnell ihr Widerstand dahinschmolz. Was sollten wir tun? Durften wir einfach zusehen, wie dieser weibermordende Filou die unerfahrene junge Frau aufs Glatteis einer Affäre zog?
    »Was ist es, das Sie mir zeigen wollten?«
    »Dies hier!«, sagte er, stellte den Leuchter auf einen staubigen Tisch und enthüllte ein hohes Etwas mit solchem Schwung, dass eine riesige Staubwolke im Raum stand. Eswar eine Harfe. Wir hörten Luises Entzückensschrei, während Hunderte von Silbermotten, aus trägem Winterfraße aufgeschreckt, die wasserklaren Kristalle auf ihrem Decolleté umgischteten.
    »Oh – wie himmlisch! Warum steht sie hier so verlassen und allein? Warum nicht in einer musikalischen Soirée? Was ist mit dem schönen Instrument? Ist es kaputt?«
    »Mitnichten! Der König liebt die alten Rocaillen nicht, er mag die schlichteren Klangmöbel. Er hat ein Instrument aus Prag, von Frantisek. Sehr schmal, sehr schwach auf der Brust. Nicht so wie Ihr ...«
    Der Prinz von Preußen verjagte mit dem lose in der Hand gehaltenen Handschuh die letzten

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