Der rote Salon
kann, wie er sagt.«
Aha –
Ormesus Magnus
war der Rosenkreuzer-Ordensname des Königs! Ich staunte über die Verschlagenheit der beiden, die schlechthin alles bedacht zu haben schienen.
»Erwarten Sie uns und sorgen Sie für die nötige Abschirmung gegen publike Neugier!«
Dampmartin und Arrat verbeugten sich, die Herren taten dasselbe, und die Versammlung löste sich auf. Wir drückten uns in eine Nische und ließen den Spuk vorüberziehen. Ich ordnete im Dunkeln das Chemisenkleid und seufzte auf. Wachte oder träumte ich? Staatsminister, die an Geister glaubten und sich von Jakobineragenten bereden ließen, ihren König zu einer Geisterbeschwörung zu zerren? Wie könnte ich den König warnen? Bei wem würde ich überhaupt Gehör finden, wenn ich zwei vorgeblich royalistische Émigrés des Jakobinertums bezichtigte – oder die ersten Männer des preußischen Staates der unheiligen Einfalt? Bei Wöllner und Bischoffwerder wohl kaum.
Im taghell erleuchteten Weißen Saal war inzwischen, in der Mitte des Raumes unter einem mit rotem, goldkronenbestickten Samt ausgeschlagenen Baldachin, der Altar vorbereitet worden. Das Paar kniete auf dem Trauschemel, während die Familienmitglieder, Staatsminister und Generäle in zwei Halbkreisen dahinter standen. Henriette-Felicité Tassaert, die Schwester des Bildhauers, war eifrig beim Skizzieren, und ich entsann mich des Kronprinzen Wunsch nach einem Bildstreifen. Ich würde sie um künstlerische Unterstützung bei diesem Hochzeitsstreifen bitten ...
Der Oberhofprediger Sack, der den Kronprinzen von Geburt an kannte, ihn getauft und konfirmiert hatte, verkündete Luise, was sich ihr Bräutigam wünschte: dass sie ihm das heilige Glück der Freundschaft schenke. Von Luises Gesicht sah ich nicht viel. Friedrich Wilhelms kühle und ernste Miene kontrastierte mit seiner weichen Stimme:
»Seien ganz überzeugt, dass Ihnen gut sein werde und Sie lieben! Dass alles nur Mögliche tun werde, Sie zu gefallen und Sie glücklich zu machen!«
Beim Anblick der aufgeregten Brautleute musste ich an Jérômes und meine Hochzeit 1786 denken. Er hatte große Mühe gehabt, den Ring über meinen Finger zu bekommen, der in der Nacht höllisch zu schmerzen anfing. Die beiden dort handhabten das vergleichsweise souverän. Zweiundsiebzig Kanonenschüsse verkündeten den Berlinern die geschlossene Ehe, und das Paar zeigte sich den Versammelten in beiden Höfen, wozu es eigens in die Kälte spazierte – der Jubel war unbeschreiblich.
Anschließend begab man sich zum Kartenspiel in die Empfangsräume neben dem Rittersaal, wo dann vom goldenen Service gegessen wurde. Vor Beginn des Banketts präsentierten sich Kronprinzessin und Kronprinz den Schaulustigen zum Lustgarten hin. Wir waren froh, als die großen Fenster endlich wieder geschlossen wurden. Dann setzten der Artilleriegeneral Karl Adolf Reichsgraf von Brühl – vormals Erzieher des Kronprinzen – und Gustav Ludwig von der Marwitz, Generalmajor und Kommandeur des Regiments Gens d’Armes, die Schüsseln auf die Tafel. Wir warteten stehend mit den Kammerherren und Hofdamen, bis die Majestäten und Hoheiten Platz genommen hatten, und begaben uns an eine der nebenan aufgebauten Marschalltafeln.
Beim Essen saßen wir weit weg von Arrat und Dampmartin. Ich sah ihre heiteren und so verschiedenen Gesichter vage durch die Tafelaufsätze hindurch. Einmal trafen sich unsere Blicke, und sie grüßten nickend, mit einem Lächeln, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Die Köstlichkeiten, die man uns servierte, waren der Zeit des großen Königs verpflichtet. Consag, der jetzige Zweite Hofküchenmeister, eher unköchisch-schlank, hatte zeitweise neben meinem Urgroßvater gearbeitet. Eines der hübschen, in der Schlossdruckerei gedruckten Menükärtchen habe ich aufbewahrt.
Als Vorspeisen gab es frische und gebratene Austern.
Sardellen Salath. Filés von Zander à la Condé. Ausgebackene Stinte oder Große Muscheln en Ragout
. Im Zwischengang kamen
Pasteten von Gänselebern. Eier à la Gelée garniert mit Croutons veloutés. Eminence von Kalekunen à la Bechamel
. Weiß jemand noch, was Kalekunen sind? Welsche Hühner! Aber das war noch immer nicht alles. Im Fleischgang wurden wir beglückt mit
Ochsenzungen mit Sauce rouge en balustrade. Gebratenen Fasahnen. Gebratenen Haselhühnern. Gebratenen Kapaunen. Filés von Rebhühnern mit Trüffelnsauce und Croquets
. Dazu gab es
Gratin von Krametsvögeln mit Wacholdersauce, Schoten und
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