Der rote Salon
sagte:
»Ich weiß den Namen des Hauses nicht. Es soll ein altes Spukhaus sein ...«
Sie lachte, denn wir hatten schon über ihre Vorliebe für die dunklen Sphären gesprochen. Jetzt fiel ihr etwas mehr ein: »So eines wie in dem Bild mit dem Gespenst für Ihre Laterna magica! Ein himmlisch-lustiger Apparat übrigens! Wo? In einem Haus, in dem eine alte Prinzessin Tatata einmal gewohnt hat. Ich kann mir einfach keine langweiligen Namen merken. Wie hieß sie doch noch gleich? Helfen Sie mir! Emilie? Ottilia?«
»Amalie!«, sagte ich. »Ach, doch nicht am Silvesterabend?«
Die Kronprinzessin blickte mich erstaunt an.
»Doch, woher wissen Sie davon? Kennen Sie gar die Dame, der das Haus gehört? Harfenspielerin soll sie sein und keine schlechte!«
»Beatrice de Grève. Selbstredend kenne ich sie. Denn Sie müssen wissen ...«
Und ich erzählte ihr nun doch, stockend und mich ihrer Reaktion versichernd, peu à peu die ganze Geschichte: von Anne de Pouquets Briefen, ihrer neuen Anstellung, ihrem garstigen Tod, ihrer Tatauierung ...
Die Kronprinzessin schwieg bestürzt. Aber das währte nur kurz. Schon wich die Betrübnis der Neugier, und ich musste ihr alles haarklein berichten. Ich raffte, ließ aber nichts aus, was das alte Palais betraf. Erzählte von den merkwürdigen Gerüchten, der Besitzerin, den Bewohnern, dem seltsamen leeren Kästchen unterm Parkett.
Beatrice de Grève interessierte sie, auch Anne de Pouquets unglücklicher Geliebter, Bonneheure, hatte einen gewissen Reiz, der sonderbare Komponist de Paul und der neue Mieter, Dampmartins Bruder, ohnedies ... Als ich dahin kam, ihr zu berichten, was Jérôme und ich vom Gespräch zwischen Arrat und Dampmartin aufgeschnappt hatten, erlahmte ihre Neugier wieder. Ich ließ unsere weiteren unfreiwilligenErkundigungen aus – vor allem auch den Ort derselben – und bot nur die Essenz:
»Es soll eine Séance geben nach eben dem Konzert, von dem Sie sprechen! Zu dem ER Sie eingeladen hat. Der König und seine Geheimbundfreunde werden dort sein. Dampmartin und Arrat wollen den König mit dunkler Magie beeinflussen, davon bin ich überzeugt!«
»Eine echte Séance? Eine Anrufung der Toten? Ob die Geister auch tanzen?«
»Swedenborg, ein alter Geister sehender Schwede, meint, ja: Ihm zufolge lieben sie sich auch und heiraten, ganz wie wir Lebenden.«
Über ihr liebreizendes, zartes junges Kronprinzessinnengesicht zogen in schneller Folge Furcht- und Entsetzenswolken, auch flackernde Fetzen dunklen Interesses, gefolgt von einer glühenden Aureole der Zerstreuungslust, bevor sich sonniges Frohlocken den Weg bahnte und den Triumph davontrug.
»Das ist phantastisch! Oh, ich brenne bereits darauf!«
Meinte sie die Zeit nach dem Ableben? Nein, doch eher die Séance. Ich suchte ihr begreiflich zu machen, worum es meiner Ansicht nach ging: etwas Politisches! Sie verzog das Gesicht. Die Sache kam ihr erst unlösbar, daher wenig interessant vor. Doch dann sagte sie, und ihre Augen leuchteten:
»Der König soll davon abgebracht werden, sein Geld für die Konterrevolution zu spenden. Die beiden Revolutionäre wollen das Geld für ihre Zwecke! Oder für sich ...«, mutmaßte sie recht schlüssig. »Wäre ich eine gute Revolutionärin? Ich muss gestehen, ich hätte nicht übel Lust, es auszuprobieren. Incognito! Was meinen Sie?«
»Sie wären eine vortreffliche Citoyenne, mit Verlaub! Mit Ihrem jugendlichen Elan und Ihrem offenen Herzen würdenSie in wenigen Tagen an der Spitze der jakobinischen Bewegung stehen! Aber Sie glauben nicht, Majestät, was für ein riesiges barbarisches Intrigengespinst das Schreckenssystem aufrechterhält – die revolutionäre Damenwelt würde Ihnen mit ihrem geballten Neid das Leben zur Hölle machen. Eine Feindin an der falschen Stelle ...«
»Hoheit reicht, meine Liebe! Hoheit reicht«, sagte sie lächelnd. »Aber verschonen Sie mich ruhig auch mit der Hoheit! Ich hoffe, Sie bleiben verschwiegen, was meine törichte Frage betrifft. Ich stelle mir das alles zu romanhaft vor, glaube ich. Sie haben das Köpfen gesehen. Ich glaube, ich würde es keine Stunde dort aushalten, in dieser blutroten Hölle.«
»Ich glaube sicher, Hoheit, dass Sie als Königin hierzulande eine größere und dauerhaftere Revolutionärin sein werden. Überall in der Stadt redet man nur von der Kraft Ihrer Jugend, und alles hofft auf eine Belebung des Herrscherhauses.«
Luise schwieg nachdenklich, dann fragte sie:
»Was denken Sie wohl – ob der schreckliche Tod
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