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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Vertrauen, das sie mir entgegenbrachte, meine Befangenheit verschwinden. »Wissen Sie noch, wie wir in Homburg tanzten? Und einander so viel erzählten? Sie und ihre Freundin waren ... Ach, es war einer der schönsten Abende und eine der schönsten Nächte, an die ich mich aus meinem Brautjahr entsinne.«
    Ich nickte zögernd, denn ihre Erwähnung von Anne de Pouquet machte mich betroffen. Die hohe Dame wusste von dem Verbrechen gar nichts, wie sollte sie auch davon erfahren haben?
    »Es war ein so aufregendes Jahr! Jetzt ist das große Ereignis vorbei, und ich bin wie ausgehöhlt. Das Hochzeitsfest war eine recht holprige Schlittenpartie: Ich empfand meinen Mann so frostig wie einen Fremden an meiner Seite! Dass er mich um Freundschaft bat, wo ich Liebe empfand, war nur ein erster Dämpfer. Er steckt so tief in diesem Hofbrimborium und ist voller Furcht vor seinem Vater. Denken Sie sich: Er hat mir das Du angeboten! Als wenn sich das unter Liebenden nicht von allein verstünde! Aber nicht hier am blaublütigsten Hof der Welt. Preußischblau. Alles hier ist blau. Schauen Sie sich nur in diesen Räumen um: gelb-blau, blau-gelb. Uniformfarben.«
    Wir blickten auf meine Werthertracht und brachen in Lachen aus.
    »Pardon, bitte setzen Sie sich! Nein, das ist zu köstlich! Sieht sehr kleidsam aus unterm rötlichem Pelz, diese Verkleidung ... Ich freue mich auch schon so auf den Carneval! Das ist hoffentlich nicht ansteckend, dieses Gelb-Blau?«
    »Nicht so sehr wie Walzertanzen«, sagte ich und warf den Fuchs über den Stuhl neben mir.
    »Da sagen Sie was! Dafür zu sorgen, dass man den Walzer tanzen darf ... das ist nun das Äußerste an Auflehnung gegen seine Eltern, was mein Gatte sich abtrotzen kann. Dabei zeigt er sich andererseits wieder so anmaßend und ungelenk, dass ich schreien möchte. Er tanzt ganz gern, aber er ist von einer Eifersucht, die aller Beschreibung spottet. Wenn ich nicht mal einen seiner Offiziers herumwirbeln darf, ohne dass er mir eine Szene macht und mich im ganzen Schloss sucht ... Herrje – ich weiß nicht einmal, welchen Grades dieser General ist, ich glaube, er ist ein Ziehsohn vom alten Fritz, dem großen Kurfürsten und Soldatenkönig, der sich zum ersten König der Reußen gekrönt hat? Weiß der Kuckuck, es interessiert mich nicht die Coffeebohne ... Wenn ich keinen schönen Kavalier mehr küssen darf, zum Spaß, dann will ich lieber wieder zurück nach Darmstadt!«
    Wir mussten über diesen Ausspruch so furchtbar lachen, dass es klopfte und das vor Besorgnis entfärbte Gesicht der Voss in der Türfüllung erschien.
    Luise rollte mit den Augen und sagte mit betonter Freundlichkeit:
    »Würden Sie, meine Teuerste, bitte dafür Sorge tragen, dass keines der Kammermädchen draußen herumspukt und an den Türen horcht? Ich hatte den Eindruck, dass dies gestern wiederholt geschehen ist.«
    Die Hofmeisterin knickste und presste die Lippen zitronig zum Strich, bevor sie wutrauschend verschwand.
    »Es ist zum Wahnwitzigwerden! Ich will doch auch ein bisschen Spaß haben. Mein Gatte besteht darauf, dass ich um zehn vom Ball gehe, weil er um vier Uhr aufsteht. Warum macht er das? Nur um seinem Urahn nachzueifern? Er hat ja doch gar nichts weiter zu tun, als zur Parade zu reiten. Wem will er damit gefallen? Diesem alten Mann, der Sanssouci gebaut hat? Oder Rousseau, seinem Kammerherrn? Ach, wie ich diese ganze Militär- und Philosophenclique hasse!«
    Die Kronprinzessin war über Ahnenlisten, Ränge und Namen gänzlich erhaben. Sie war das Leben selbst, das unvermutet in die preußische Mumienwelt Einzug gehalten hatte. Eine Siebzehnjährige unter Siebzigjährigen. Das konnte nicht ohne Blessuren auf beiden Seiten abgehen! Einige Biographen haben ihr später mangelnde Bildung oder Torheit vorwerfen wollen, und nach außen hin musste ihre liebenswerte Nonchalance bei Dingen, die man zu wissen hatte, mitunter aufreizend wirken. Ich weiß noch, wie einmal bei einem Teesalon des Grafen Pückler die einfältige Gräfin Hardenberg die Könige durcheinanderwürfelte und welch entsetzliches Schweigen danach herrschte ... Doch Luise war weder einfältig noch töricht, sondern schlicht jung und frisch und kümmerte sich keinen Deut um ihre Wirkung auf alte, nach halbem Lebensweg schon geistig verstorbene Leute, die leider immer das Gros in jeder Zeit ausmachen, in fast jeder Gesellschaft.
    Sie klagte mir ihr Leid, in ihrer natürlichen Art, die an dem steifen Hof vollends ohne Gegenliebe blieb: Dass man

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