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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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lief, immer so, dass die Eiche zwischen mir und den Verfolgern blieb. So erreichte ich ungesehen ein Dickicht, wo ich mich in den Schnee warf und mich selbst für die Voraussicht lobte, lange Lederhosen zu tragen. Ich schaute zurück. Mein Herz hämmerte. Sie liefen auf die Vogelscheuche zu und ... entdeckten den Betrug!
    Wie sie hin und her schauten! Da sahen sie die Spur meiner rasenden Flucht! Stürmten, ohne Mantel und Hut weiters zu achten, geradewegs in meine Richtung, irren Blickes, die Augen über den hochgezogenen Halstüchern suchend aufgesperrt. Es half nichts, in wenigen Sekunden wären sie bei mir!
    So rannte ich geduckt, nur das schüttere Geäst des Dickichts zwischen ihnen und mir, auf die Allee zum Potsdamer Tor zu. Sie war leider noch weit entfernt. Auch war der Wald wie ausgestorben, keine Menschenseele zeigte sich weit und breit. Und ob die beiden, die mich hetzten, Seelen haben mochten? Ich hatte da, keuchend, über Stockwerk strauchelnd und in zugeschneite Löcher tretend, so meine Zweifel.
    Ich schlug hin. Gerade da, wo mein Kopf auftraf, lag ein Ast unterm Schnee. Der Schmerz war so gewaltig, dass ich für Sekunden wie betäubt am Boden blieb. Bange Sekunden, denn ich war zur Regungslosigkeit verdammt.
    Ich rappelte mich unter Stöhnen hoch, wendete mich um, doch sie waren fast über mir, ich konnte ihren Atem schon hören! Instinktiv warf ich mich zur Seite, griff nach dem Stock, der mich zu Fall gebracht. Ich kam hoch, brach ihn zu einem handlichen Knüppel und versetzte dem Ersten der beiden einen herzhaften Schlag in die Rippen. Er fuhr zur Seite, doch der Große kam heran. Ich entsann mich einer Stelle, die empfindlicher sein müsste, und riss den Stock, dessen Spitze den Boden berührte, sehr kräftig nach oben. Heulend fasste er sich in den Schritt. Aber der andere war wieder da und packte den Stock. Wir rangen kurz, und es gelang mir, die Waffe freizubekommen. Ich hieb kräftig zu, sodass der Prügel auf dem Arm des Unholds zersplitterte. Er umklammerte ihn mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht und war außer Gefecht gesetzt.
    Mit den Resten des Stockes bot ich dem Zweiten, der humpelnd herangeeilt war, Paroli. Ich hielt ihn auf Abstand. Doch er zog eine Pistole aus dem Gürtel und röchelte mit einer Stimme, die ich irgendwo schon einmal gehört hatte, schmerzverzerrten Gesichts:
    »Ergib dich, Jakobinerin! Du hast keine Chance! Ich werde nicht zögern, von der Waffe Gebrauch zu machen!«
    Sein gebrochenes Deutsch entlarvte ihn als französischen Emigranten.
    »Jakobinerin? Was reden Sie da für einen Unsinn, Bürger? Im Übrigen werde ich Ihnen, weil Sie ein Schießeisen in der Hand halten, noch lange nicht das Du anbieten. Was wollen Sie von mir? Ich habe kein Geld!«
    »Verfluchtes Weib! Ich werde nie mehr spielen können!«, schrie der Kleine am Boden und rieb sich den malträtierten Arm.
    Der andere vor mir nahm die Binde vom Gesicht, und ich erkannte einen der beiden Musiker, die im Palais wohntenund die doch angeblich in der Festung lagen: Das Gesicht mit dem Schmiss hatte ich nicht vergessen. Er zog auch dem anderen das Tuch herunter.
    »Ihr Freund hat nur einen blauen Fleck!«, sagte ich beiläufig, denn der Kleinere hätte weitaus stärkere Schmerzen gehabt, wenn ihm mein Schlag den Arm gebrochen. »Sie sind aus dem Kerker entwichen, hab ich recht? Wie waren doch Ihre Namen? Ach, ich hab sie vergessen.«
    Er beugte sich zu dem anderen, während er mich nicht aus den Augen ließ. Mir wurde schrecklich kalt, ohne meinen Hut und ohne meinen Mantel, doch er vergewisserte sich, dass die Blessuren des vor Schmerz Fluchenden nur vorübergehende wären. Dann half er dem Kleinen auf und lehnte ihn an einen Baum. Er winkte mir mit der Pistole.
    »Holen wir dein Eigentum, Jakobinerin!«
    Er humpelte leicht, was eine Folge meines gezielten Schlages war. Ich rührte mich kein Stück. Nur ein Engländer hätte noch angesichts des Todes gefürchtet, sich eine Erkältung zuzuziehen.
    »Meinen Stolz nehmen Sie mir mit dieser Frechheit nicht. Wenn Sie mich erschießen, so hängt man Sie ein bisschen höher, aber mehr geschieht nicht. Sie können es genauso gut auch bleiben lassen.«
    »Warum sind Sie weggelaufen?«, fragte er.
    Nicht, dass ich ihn höher schätzte, weil er zum Sie gefunden hatte. Aber es war ein Anfang.
    »Warum verfolgten Sie mich?«, fragte ich zurück. »Es hieß, sie beide säßen in Spandau? Man hielt ... man hält sie allgemein für die Harfenmörder!«
    »Sie lenken ab.

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