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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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sie und schwärmte mir vor von einem Mann, den das höchste Wesen nur zum Behufe der Peinigung unglücklich Frischvermählter erschaffen zu haben schien.
    »Ich weigerte mich, ihn zu sehen, seit ich verlobt war. Doch er fand immer Mittel und Wege, mir wieder zu nahezukommen. Zwischenzeitlich sah es so aus, als wolle er mich nur als Vorwand benutzen, um meine Schwester sehen zu können, doch dann durchschaute ich ihn und bemerkte, dass er gerade diesen Glauben in mir zu erwecken trachtete, um mich in Sicherheit zu wiegen.«
    Sie wusste nicht, was Jérôme und ich gesehen hatten, und ich wollte es begreiflicherweise auch nicht eingestehen ohne Not. Daher konnte sie nicht ahnen, wie sehr mich ihr Versuch peinigte, mich so behutsam es ging mit der Tatsache vertraut zu machen, dass die Gefühle des stürmischen Prinzen Louis Ferdinand sie nicht kalt ließen.
    »Es ist eine teuflische Prüfung! Ich hatte mich am Abend der Vermählung so gut im Griff. Doch als er mir – unter dem Vorwand, mir etwas zeigen zu wollen – unvermutetein Ständchen darbrachte ... meine Teuerste, ich wäre fast dahingeschmolzen! Eine gütige Vorsehung endigte die Szene, bevor es zum Äußersten kam. Der Himmel hat einen dunklen Engel gesandt, um meine Unschuld zu retten ... Denken Sie sich, welch eine Bestürzung mich anwandelte – in der Nacht, in der das Beilager gefeiert wurde, wie sie hier so grauenvoll sagen! Nur eine halbe Stunde später stand die Voss ...«
    Sie flüsterte:
    »Die Türhorcherin also stand an irgendeiner Stelle, wo alle vorbeimussten in diesem Geisterschloss, und gab jedem ein Stück Strumpfband in die Hand. Weiß Gott, wo das ganze Zeug herkam – wahrscheinlich mussten alle alten Jungfern aus dem weiten Umkreis eine Elle beisteuern.«
    Ob es wohl schon früher zum Äußersten gekommen sein könnte zwischen ihr und IHM? Ich wollte mir vorderhand darüber kein Urteil anmaßen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich weiß es bis heute nicht und will auch nicht der Versuchung erliegen, die wilden Spekulationen darüber, was zwischen der einstigen Kronprinzessin und dem Cousin ihres Schwiegervaters geschehen ist, zu unterstützen, die seither ins Kraut gingen. Der Erzähllust die Zügel schießen zu lassen, ist nicht meine Art, und wenn dafür, dass das, was ich berichte, der Wahrheit entspricht, ein Beleg gefordert wird, so könnte ich am allerehesten diese letzte Zurückhaltung als solchen anbieten.
    Ob man sich meine seltsame Lage recht vorstellen kann? Die Kronprinzessin von Preußen gestand mir intimste Dinge, von denen ich bereits – unfreiwillig zwar und ohne Vorsatz – Kenntnis erlangt hatte, und jetzt ...
    »Denken Sie sich nun, was jetzt passiert ist: ER lud mich zu einem Konzert, bei dem er spielen wird. Verstehen Sie: ER will, dass ich mit ihm dort hingehe! Sie können sich, meineLiebe, nicht vorstellen, wie gerne ich es täte. Doch zugleich wird Ihnen begreiflich sein, dass ich, wenn es herauskommt, die schrecklichsten Vorwürfe seitens meines Mannes zu gewärtigen hätte! Und auch vom König ... Ich weiß mir keinen Rat, daher frage ich Sie, liebe Freundin, die Sie mit den Bedingnissen der Liebe und den Wirrnissen der Gefühle mehr Erfahrung haben als ich und so lange schon glücklich an der Seite eines Ehemannes leben: Was würden Sie tun?«
    Ich sah mich in der peinlichsten Verlegenheit. Sollte ich ihr gar von Henriette Fromm erzählen, der Geliebten Louis Ferdinands? Ich tat es nicht, sie würde diesen Namen schon noch früh genug hören. Ich riet ihr zur Offenheit gegen den Gatten. Was hätte ich auch sonst tun können? Ich wollte nicht zur Henkerin Preußens werden. Eine Aussprache oder ein Krach war allemal besser als ein schwelendes Feuer.
    »Bitten Sie Ihren Gatten einfach mitzukommen! Es würde die Situation entspannen. Ich kann Ihnen sonst nichts raten. Wenn Sie IHN mehr lieben als
ihn
, so werden Sie es wissen. Darf ich fragen, wo das Konzert stattfindet? Ich würde den Prinzen auch gern einmal spielen hören.«
    »Denken Sie, es würde die Lage verändern? Die beiden sind einander spinnefeind. Aber Sie haben ja recht, vielleicht bringt es eine Lösung. Wenn ich sie nebeneinander sehe ... Zu dumm, dass ich schon geheiratet habe! Ach, es ging alles so schnell, wir haben kaum Zeit gehabt, einander kennenzulernen, Friwie und ich ...«
    »Ist es denn bei IHM und Ihnen anders? Sie kennen IHN doch noch viel weniger!«
    Sie nickte. Schlug die hübschen braunen Augen nieder. Hob sie langsam und

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