Der rote Salon
sie nötigen wollte, zweimal wöchentlich zur Cour der Königin und bei den Belustigungen sämtlicher Innungen zu erscheinen! Der Zwang zum frühen Zubettgehen und frühen Aufstehen, der ewige Wink mit der Uhr ... Ich sah ein Tuch um ihren Hals geschlungen und deutete fragend darauf.
»Ach ja, ich glaube gar, ich kriege einen dicken Hals von diesem Preußen! Sehen Sie mal hier, was das wohl ist? Unser königlicher Hausarzt Heim sagt, eine Schwellung. Das merke ich auch. Aber ob sie wieder weggeht? Ich sehe aus wie ein Perlhuhn mit Kropf.«
Das Tuch sah sehr kleidsam aus, und es sollte schon bald Mode werden. Die Beule verschwand, doch Luises Halstuch blieb. Sogar Schadow legte es ihr bei der Doppelstatue um den Hals, die er von ihr und Friederike formte. Dem Kronprinzen gefiel all das gar nicht.
»
Mir fatal!
sagt mein Mann über das Tuch. Will er vielleicht, dass ich mit einer Beule am Hals herumlaufe? Friewi ist manchmal so drollig und merkt es gar nicht. Glauben Sie nicht, liebe Freundin, dass ich ihn nicht ehrlich liebte. Aber ich will mich nicht zu sehr von ihm maßregeln lassen. Wenn er mir eine Standpauke hält, flenne ich ihm einfach vor, dass ich ihn nie mehr ärgere. Beim nächsten Mal hat er es schon wieder vergessen, sodass ich es wiederholen kann. Was soll er schon machen? Er liebt mich, er kann gar nichts tun! Er hat viel zu viel Angst, sich zu blamieren.«
Ihre Naivität war entwaffnend, anrührend und mitleiderregend zugleich. Sie war im Grunde noch immer das fröhlich tanzende Mädchen in Hessen-Homburg oder Hessen-Darmstadt. Aber schon eine einzige Woche Preußen hatte dunkle Schatten auf ihr Antlitz gemalt. Was wäre auch anderes zu erwarten gewesen?
Plötzlich war Anne de Pouquet wieder in meinen Gedanken.
»Ich habe den Tee vergessen!«, sagte Luise und machte eine Grimasse, lachte sofort über sich selbst und goss mir etwas in die hübsche Chinaporzellantasse, die vor mir auf dem kleinen türkischen Tischchen wartete.
Der Tee war kalt und schmeckte sehr bitter.
»Wie kann ich Hoheit ...?«, setzte ich an, zuinnerst bereits von dem Gedanken Abstand nehmend, sie je in einer politischen Angelegenheit als Vermittlerin benutzen zu wollen. Ihr überdies von den Morden zu erzählen, erschien mir ganz undenkbar.
»Ach, liebste Freundin!«, redete sie lebhaft weiter, »Sie müssen es mir nachsehen, wenn ich Sie mit meinem privaten Kikeriki behellige. Sie waren bei meiner Hochzeit, und ich kenne Sie von früher, sozusagen ... Dennoch geniere ich mich ein bisschen, dass ich hier außer meiner Schwester niemanden habe, dem ich mich anvertrauen könnte! Und sie ist doch noch ein törichtes Kind.«
Sagt die Siebzehnjährige über die Fünfzehnjährige, dachte ich, erwiderte indes:
»Es war traumhaft! Sie sahen umwerfend schön aus, zum Verrücktwerden schön!«
»Danke sehr, es konnte so hingehen! Ach ja, das teure Stückchen Silberstoff. Wie ein Schlossgespenst hab ich mich gefühlt und hätte viel lieber Ihren Mut besessen, glauben Sie mir! Bei mir war es der Schmuck, bei Ihnen war es das Kleid, das alle Augen auf sich zog.«
Ich konnte es nicht hindern, dass ich errötete.
»Keine falsche Scham, meine Liebe! Es ist, wie ich sage!
Man schaute mich an und sah eine halbe Million Taler auf silbernem Atlas. Man sah Sie an und sah ... Paris!«
»Daher kommt es wirklich!«, sagte ich und lächelte. »Die meisten Schneider sind mit dem Hof vernichtet worden. Nicht so Hermès de Bergé. Der Gute ist schon über siebzig, aber er entwirft wahre Revolutionsträume an Kleidern. Die Chemise ist praktisch seine Erfindung!«
Nun sprachen wir eine ganze Weile über die Segnungen der republikanischen Mode, bis die Kronprinzessin unvermittelt mit dem eigentlichen Anlass ihrer Einladung herausrückte.
»Haben Sie IHN gesehen?«
Sie wusste, dass ich wusste, wen sie mit IHN meinte.
»Ja, er ist nicht zu übersehen.« Ohne zu überlegen, setzte ich hinzu: »Wenn ich nicht verheiratet wäre ...«
Im selben Moment ging mir auf, wie falsch und missverständlich das klingen musste. Sie könnte es als moralisierenden Versuch auffassen, sie an ihren Stand und die Gebote der Schicklichkeit zu erinnern, was nicht im Mindesten in meiner Absicht gelegen hatte. Doch sie kehrte sich nicht daran und nahm es als willkommenes Stichwort.
»Sie haben ganz recht – wenn ich nicht verheiratet wäre, käme ich nicht mit meinem Gewissen in Konflikt ... Ich habe ihn schon im Sommer kennengelernt, in K***.«
Und dann erzählte
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