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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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schätze, vor allem, wenn ich sie in einer polierten Kugel aus Glas finde oder durch eine verzerrende Linse betrachte ... Für sich genommen ist sie mir zu trocken.«
    Er hob seine Champagnerflöte. Man lachte zu dem schwachen Scherz, wohingegen ich mich auf die Schippe genommen fühlte. Der König sprach weiter:
    »Ich habe meiner Bewunderung Ihrer magischen Apparate schon Ausdruck verliehen – doch ich bin sicher, dass uns heute nichts dergleichen erwartet. Auch ist es noch immer zweierlei: etwas vorgespielt zu bekommen ...« Hier lächelte er sehr zweideutig in Richtung Bischoffwerder, der es möglicherweise wirklich schon mit der Geisterlampe versucht hatte, nach der von mir vorgeschlagenen Methode vor dem König ein bewegliches Spektrum zu projizieren, »... und das Spiel zu bewerten. Ich darf Sie versichern, Marquise, dass ich meine Gespenster wohl einzuschätzen und ihre Einflüsterungen abzuwägen weiß. Mein Großonkel schoss mit der Salzpistole auf querulatorisches Gelichter. Mein Onkel steckte die Abtrünnigen in entfernte Regimenter oder ließ sie das Purgatorium der Spießruten durchlaufen. Ich begnüge mich damit, meinen schlechten Beratern die Champagner- oder Wildbretration zu kürzen!«
    Wieder wurde gelacht. Bischoffwerder war rot geworden. Der König nahm niemanden besonders ernst. Trotzdem empfand ich an dieser Stelle Sympathie für ihn.
    Ein Gong ertönte.
    »Lassen Sie uns Platz nehmen«, sagte Arrat, der sich neben den Magier inmitten des Runds von Stühlen gestellt hatte.
    Zwei muselmanische Gebetsbänke, über Kreuz mit einem viereckigen schwarzen Tuch behangen, standen im Kreis, auf einem runden Teppich von rotem Atlas. Die eine der Bänke war vollgepackt mit kultischem Gerät: Ein Buch mit Chiffren und symbolischen Figuren lag bei einem Totenkopf aufgeschlagen, ein silbernes Kruzifix ruhte auf der Stirn des Schädels. Statt Kerzen brannte nur reichlich Spiritus in einer metallenen Schale. Einer Fahne gleich wehte die warme, gelbe Flamme in die Höhe. Daneben stand ein unscheinbarer, dickwandiger Topf, in dem sich, wie ein Heben des Deckels durch den Magier zeigte, glühende Kohlen befanden. Beide Gefäße waren mit Strohscheiben gegen die Unterlage isoliert.
    Während wir in den magischen Kreis traten und die Stühle besetzen, sagte ich leise zu Distel, den das höchste Wesen mit treffsicherer Ironie neben mir platzierte:
    »Man will dem König etwas vormachen, das den Staat viel Geld kostet!«
    Er lächelte bitter und erwiderte, mit furchtsamem Blick auf Jérôme – offenbar bemüht, eine neuerliche ehrenrührige Standesverletzung zu vermeiden:
    »Marquise! Wir haben das ganze Gebäude auf mögliche Attentäter abgesucht. Das heißt selbstredend: auch das Dach!«
    Ich wollte dem Polizeichef nicht erläutern, dass sich die Vorgehensweise eines Attentäters wesentlich von der einesBetrügers unterscheidet. Auch war beim Setzen kaum Zeit dazu. Also ließ ich es bleiben und fragte nur:
    »Und die Briefe? Sind Sie immer noch nicht zur Lektüre gekommen?«
    Ich dachte wieder an das zerbrochene tönerne Spielpferdchen, doch ich kämpfte meinen Groll hinunter.
    »Leider trage ich sie nicht bei mir!«, spöttelte er.
    Einer Eingebung folgend, fragte ich ihn noch:
    »Lasen Sie in den Briefen Anne de Pouquets nicht zufällig etwas von einem Juwel, zum Zwecke von Beschwörungen benutzt? Ich habe mich vergeblich bemüht, eine solche Stelle zu erinnern. Aber ich habe den Verdacht, dass hier im Salon etwas von hohem Werte lag.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich habe den Hohlraum im Boden selbst gesehen und inspiziert! Er war leer. Wenn ich bloß einen Blick in die Korrespondenz werfen könnte.«
    Arrat saß zwischen dem Prinzen von Preußen und Bonneheure. Er schielte zu uns herüber, unser Tuscheln irritierte ihn. Der Polizeichef sah mich ernst an, stand noch einmal auf und ging zu einer der Nebentüren.
    »... sichergehen, dass alle Türen bewacht sind!«, hörte ich ihn zu Wöllner hin murmeln.
    Ich prägte mir die Sitzordnung ein: Auf Distel und Wöllner rechts neben mir folgten Dampmartin, Bischoffwerder, Heim, Beatrice de Grève, der gewesene Sekretär Bonneheure, Arrat, der Prinz von Preußen, die Rietz, der König, Kronprinzessin und Kronprinz, der Komponist de Paul, Jérôme und wieder ich. Distel hatte seinen Kopf hinausgestreckt, etwas zu einem vor der Eingangstür stehenden Beamten gesagt und war wieder zurückgekommen. Der Magier wartete in stummer Versenkung, bis völlige Ruhe

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