Der rote Salon
schwankte, der Magier zischte und hob betend die Hände, worauf der König mit schuldbewusster Miene so schnell, wie seine Verwirrung es zuließ, den Kreis wieder schloss. Die Rietz schaute ihn lächelnd an, wie man ein Kind betrachtet, von dessen Unverstand man überzeugt ist, dem man aber nichts Böses will. Die Geisterstimme brachte einige unverständliche Laute hervor, dann sagte sie klar:
»Mein Vater, bist du wohlauf?«
»Sagen Sie ihm, dass ich mich durchaus gut befinde! Und fragen Sie ihn, was er am liebsten aß, wenn er in meinem Beisein war!«, verlangte der König ernst.
Der Knabe wiegte sich, um Wohlbefinden anzudeuten, und sagte:
»Pomeranzen aß ich am liebsten mit dir, lieber Vater!«
Am Nicken des Königs konnten wir erkennen, dass derGeist offenbar den rechten Geschmack erinnerte. Die Erscheinung fragte durch den Mund des Knaben:
»Was wünschst du zu erfahren, mein lieber Vater?«
Dem König fehlten kurz die Worte, und schon wollte sich Dampmartin einschalten, und begann: »Dein Vater wünscht zu erf...«
Aber der König konnte für sich selbst sprechen und fuhr dazwischen:
»Wurde die heilige Koalition verraten?«
Der Magier berührte den Schädel, und wir spürten alle einen kleinen Schlag.
»Bitte frage genauer, Vater! Welche Koalition meinst du?« Dampmartin holte sich mit einem Blick beim König die Erlaubnis, ihn zu unterstützen.
»Dein Vater wünscht zu erfahren, ob er in einer wichtigen Angelegenheit so verfahren soll, wie seine Berater ihm empfehlen.«
Die Gloriole fragte mit heller Stimme:
»In welcher Angelegenheit?«
»In einer kriegerischen Frage!«
Der Knabe warf sich in die Brust.
»So frage nur, Vater!«
»Gestattest du, dass ich für ihn frage?«, fragte Dampmartin.
»Ja, ich gestatte es!«
»Gestatten Eure Majestät, dass ich die Gloriole frage, was Eure Majestät zu erfahren wünschen?«
»Ja, ich gestatte es. Fragt meinen lieben Alexander: Soll ich die katholische und königliche Armee mit meinem Gelde unterstützen?«
Wöllner und Bischoffwerder hatten ihm diese Frage sicher zuvor ans Herz gelegt.
Dampmartin fragte, was der König gefragt.
»Ja, mein Vater, das sollst du wohl, denn ohne deinen Beitragwird sie niemals stark genug sein, dass ihr Arm herniederfahre und die Königsmörder zerschmettere!«
Beatrice de Grève stöhnte auf, und auch die Kronprinzessin seufzte.
»Soll ich das Geld dem Bruder des Mannes geben, dessen Stammschloss den Namen Malmaison trägt, dem Bruder des in diesem Raume tragisch verstorbenen Comte de Mâconnais-Rambouillon?«, ließ der König fragen.
Der Magier schlug einmal den Feuerschalengong. Das Haus erzitterte von Neuem. Das Poltern über uns verharrte, der Kronleuchter klirrte. Der Junge raufte sich die Haare und sagte laut:
»O nein! Gib es den hier anwesenden ehrenwerten Brüdern Freimaurer, die dich gewarnt! Dem Deserteure und Defraudeur de Mâconnais-Rambouillon aber gib nichts! Er hat die Krone verraten!«
Ich ließ die Hände von Jérôme und Distel los. In meinem Kopf regte sich etwas, und ich erschrak zu Tode. Ein blauer Schein flog über die linke Wand ...
Der Junge stand verdutzt und sagte laut und vernehmlich: »Jesses!«
»Kruzi...!«, entfuhr es dem Alten, und er drehte an dem Kreuz, worauf das Poltern wieder über uns war.
»Das Kreuz löst einen Kontakt aus!«, flüsterte ich Distel zu. »Wir bekamen elektrische Stöße, und auch der Spießgeselle ein Stockwerk über uns poltert auf ein Zeichen ...«
Der Polizeichef stand auf und sagte etwas zu Wöllner. Dann stürzte er zur Tür, fiel jedoch über eine der Blendlaternen. Sie kippte um, und das Öl fing sofort Feuer. Während Distel sich mühte, die an seiner Hose züngelnden Flammen zu ersticken, wozu ihm die anderen helfend beisprangen, stürzte Wöllner auf den Knaben zu und packte ihn beim Kragen.
»Die Blattern sind aufgemalt!«, rief der entgeisterte Justizminister.
»Das war das letzte Mal, dass ich bei einer deiner Schnapsideen mitmache!«, schrie die betrügerische Gloriole den Alten an.
»Was unterstehen Sie sich, meine Herren!«, donnerte der König zu seinen beiden Ministern hin, aus einem liebgewordenen Traume aufgescheucht: »Mich solchen Scharlatanen auszusetzen! Welch ein Skandal! Und das vor allen Leuten ...«
Jérôme stieß mich an und zeigte mit blassem Antlitz auf eine blau leuchtende Figur, die unbeteiligt neben dem Kamin stand. Ich hatte sie schon längst gesehen und starrte wie gebannt auf sie – – –
Das Haus
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