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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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…«, stammelte der König.
    Vorsatzblätter! Jetzt wusste ich, weshalb sich de la Maupadé so intensiv um die Ausgabe des Parry bemüht hatte. Wie hatte es der hilfreiche Geist formuliert:
Wo einmal nichts ist, kann später etwas sein, das gilt für Verstecke wie für Vorsätze …
    »Lassen Sie aus de la Maupadés Wohnung hier nebenan ein gebundenes Notenwerk heranschaffen!«, sagte ich zu Distel und beschrieb einem seiner Leute die Parry-Ausgabe.
    Mit der flachen, warmen Unterseite der metallenen Feuerschale, in der zu diesem Behuf nochmals etwas Alkohol entflammt wurde, konnte ich vor den erstaunten Augen des Auditoriums einen Teil des herzoglichen Testaments zum Vorschein bringen. Auf den ersten Blättern jenes Buches, das ich vor Tagen vergeblich untersucht hatte, war mit Geheimtinte geschrieben:
    »Und so stelle ich es meinem über alles geliebten Eheweib anheim, gemeinsam mit dem von mir an Sohnes statt angenommen Gaston Armand Comte de Mâconnais-Rambouillon und dem Kronjuwelier Alphonse Dampmartin, die heilige Krone der Franzosen in ein besseres Leben hinüberzuführen und tapfer im Gebet die Reinheit zu suchen. Dein Stiefsohn mag für sich selbst sorgen, denn er ist nicht mittellos. Dir aber werde ich für die Ungelegenheiten bei der Ansiedlung im Ausland eine Summe von 100 000 Livres in Kurant zum Zehrpfennig anvertrauen. Höre indes, meine Liebe, auf meinen Rat: Nimm Quartier wie ein Bettelweib … Es schont nicht nur Dein Portemonnaie, sondern auch Dein Leben! Die jakobinischen Teufel werden überall nach Dir suchen! So ich es vermag, werde ich auf DeinRufen erscheinen, und nichts wird uns dermaleinst daran hindern, wieder vereint zu sein! Gebe uns Gott ein Wiedersehen von gleich zu gleich! Lass uns im Geisterreich aufs Neue heiraten!«
    »Haben Sie die anderen Teile des Testaments gefunden? Oder nur vermutet?«
    »Verdammt, mach’s Maul auf, Franzmann!«, polterte Distel, zügelte sich aber rasch, als er Jérômes grimmige Miene sah. Zwei Beamte nahmen de la Maupadé wie einen verstockten Ketzer in die Zange, bis er mit der Wahrheit herausrückte.
    »Die falsche Pouquet zeigte es mir, um mich von der Existenz der Krone zu überzeugen. Der Comte wählte stets ein neues Versteck, sodass sie mir nicht einfach sagen konnte, wo sie war. Das hätte manches vereinfacht …«
    Ich will dem Schurken nicht mehr Raum zu Verlautbarungen geben, als nötig. Er hatte auch die anderen Teile des Testaments gesucht, um selbiges in Gänze zu vernichten. Vermutend, dass auch beim Goldschmied etwas Komprommittierendes zu finden sein könnte, zündete er Dampmartins Unterkunft kurzerhand an. In der schäbigen Kate der mittellosen Herzogin kam er fast zu spät, hier musste er mir kurzzeitig den Preis zugestehen. Als er aber den Parry schließlich doch ergattert hatte, siegte seine musikalische Ader über die Furcht, und er ließ das teure Werk heil.
    Der Polizeichef begann, nach Einzelheiten des Herganges zu fragen. Der Kronprinz wollte seine Frau hinausbringen, doch sie beharrte darauf, nicht wie ein Kind behandelt zu werden.
    »Die Duchesse vertraute Ihnen, als Sie hier hereinkamen«, sagte Distel zu de la Maupadé. »Ich nehme an, dass sie als Erste dran war. Haben Sie sie erdrosselt? Oder war es Göttler?«
    »Sie erhielt keinen Schlag, war also bei Bewusstsein. Sie lief noch zum Fenster und muss geschrien haben«, ergänzte ich, »das haben sowohl Monsieur Arrat als auch die Hausmädchen gehört!«
    Das steinerne Gesicht de la Maupadés blieb unbewegt, als er antwortete, mit den Händen eine imaginäre Harfensaite um einen imaginären Hals legend, und Heim will in seiner Stimme ausbrechenden Irrsinn gehört haben:
    »Sie sah ihn noch als Gespenst… ihren Mann. Doch trotz ihrer Empfänglichkeit für das Treiben der Spektren blieb ihr die Wahrheit der Kunst verborgen! Meine Kompositionen … hat sie nicht verstanden, sie hat sie falsch gespielt… Sie erzählte mir von der Krone, sie wollte, dass ich sie stahl, während der Zitation! Sie wollte ihren Stiefsohn geschont wissen, und auch Dampmartin, den Goldschmied! Sie wollte die Krone für sich, wollte sie selbst bewahren … Ich und mein Helfer sollten nur jeweils tausend Taler für ein paar rüde Schläge bekommen. Doch ich sah die Zukunft, die in der Krone für Beatrice und mich steckte. Ein Königtum für meine Kunst! Geld ist Leben für die Kunst! Eine Närrin war sie! Ich würgte selbst den Ort aus ihr heraus, an dem angeblich ihr vieles Geld versteckt war, bevor

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