Der rote Salon
ich mit Göttler die Krone zu Beatrice brachte …«
»Wo war es versteckt? Das bare Geld? Im Garten draußen, unter einem Baum?«
»Zur Hölle mit den Gespenstern der Duchesse! Es gab kein Bargeld! Der Comte hatte das seine aufgebraucht, und ihr verdammter Wechsel war nichts wert! Hätten wir sie nicht getötet, sie hätte uns gar nicht bezahlen können … Und jetzt, wo wir’s haben, bleibt uns nur der Strick …«
Er zog einen wertlosen Fetzen aus seiner Fracktasche. Wahrlich hätte niemand noch irgendeinem Pariser Bankhaus vertraut, auch nicht Becker & Becker, Rue de Geoffrin …
»So war die Sache also eigentlich die«, resümierte die Kronprinzessin, »die Herzogin hatte kein Geld, der Comte nur noch Schulden, und sie sah den Verkauf der Krone tatsächlich herannahen! Sie hätte sich nie von ihr getrennt! Ob sie nun den Stiefsohn und den dritten im Bunde nur betäubt wissen wollte, oder nicht – von ihr ging die Sache aus. Sie engagierte Sie, Herr Komponist! Madame de Grève kam hinter die Kronengeschichte, weil sie mit Ihnen insgeheim liiert war. Sie beide zogen den Handwerker Göttler hinzu. Und warum das alles? Wegen des Geldes! Während die Herzogin, Gott hab sie selig, nur Idealistin war!«
»Nein, Hoheit, nicht wegen des Geldes!«, rief de la Maupadé. »Wegen der Musik! Einzig und allein wegen der Musik! Auch wir sind Idealisten! Es lebe die Musik … die wahre und einzige Kunst, die höchste Vollendung der Kunst… Es lebe meine Musik!«
Beatrice de Grève hatte ihn während dieser Worte verklärt betrachtet. Dann sah sie starr nach vorn, wiegte den Kopf und rettete sich ins innerliche Repetieren eines Musikstückes, wie ich ihrem Mienenspiel ansah.
Und Göttler, mit einem leisen Lachen, das sich steigerte zum Crescendo, sagte:
»Hasenherzen … Was für eine Idee, die Geister heraufzubeschwören, um sie zu besänftigen. Wer Geister heraufbeschwört, der wird von ihnen erdrosselt!«
Aus Überführten wurden Abgeführte.
»Blaues Blut – blauer Geist!«, sagte Heim. »Ich werde einen Artikel über die Farben der Geister im Jahrbuch der Akademie veröffentlichen:
Über die Spektralfarben der Spektren
.«
Auf meine Frage nach seinen Vorsätzen fürs neue Jahr antwortete er lakonisch:
»Ausschlafen!«
12
Der Januar des Jahres 1794 verlief kalt und klar. In Berlin vergisst man schnell, daher war von den Morden kaum weiter die Rede. In der Donnerstagausgabe der
Berlinischen Neuesten Nachrichten
wurde nur kurz über das gelungene Feuerwerk berichtet:
Das von Seiner Kgl. Majestät ausgerichtete Neujahrsschießen der Kasachen, die seit vielen Jahren kgl. Pyroneure sind und bei keinem Hoffest des Preußischen Königshauses fehlen dürfen, wo achtbare Höhenfeuer abbrennen, fand ebenso freudige Zustimmung wie der von Seiner Kgl. Majestät in bewährter Freigebigkeit gespendete königliche Neujahres-Punsch im Garten des ehemals Vernezobre’schen Palais’, das nunmehr wieder in königlichen Besitz übergegangen ist. Seine Kgl. Majestät hegt die Absicht, dort eine Blatternschutz-Anstalt einzurichten, zu welchem löblichen Endzwecke der Kgl. Leibarzt Heim, der jüngst auf kgl. Geheiß eine erste, überaus erfolgreiche vorbeugende Punktation gegen diese Geißel der Menschheit in der Friedrichstadt ins Werk setzte, alle seine Kräfte einzusetzen gedenkt.
Auch eine kleine Ehrenrettung konnte man lesen, die so formuliert war, dass weder dem König noch dem Polizeichef größere Zacken aus der Krone fielen:
Die im verwichenen Monat zum Zwecke ihres eigenen Schutzes in löblicher Vorsicht von der kgl. Polizei in Gewahrsam genommenen Herren R. Bailé und F. Bertrand werden im Palais des Kronprinzenpaars die Ehre haben, eine Kammer-Komposition für Flöte und Violine von der Hand Seiner Kgl. Hoheit des Prinzen von Preußen zur Aufführung zu bringen. Eintritt: 30 Groschen. Der Erlös dieses und weiterer Konzerte von gleicher Art wird den Grundstock einer Unterstützungskasse für die zahlreichen in Berlin lebenden ehemaligen Hofmusiker aus Frankreich vermehren helfen, welche Seine Kgl. Majestät höchstselbst, die mit gutem Beispiel vorangingen und 1000 Reichstaler eingelegt haben, ins Leben riefen.
Unter der Hand kursierten natürlich die wildesten Gerüchte, doch über die wahren Hintergründe der Harfenmorde verlautete öffentlich kein Wort. Von Distel erfuhr ich später, dass der Magier und sein Sohn tatsächlich mit der Truppe der Kasachen aus Dresden gekommen waren, eigentlich aber aus der
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