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Der rote Tod

Der rote Tod

Titel: Der rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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konnte.

KAPITEL
6

    »Ich werde euch ihr in einer Minute vorstellen«, versprach Tony.
    »Warum nicht jetzt?«, fragte mein Vetter.
    »Weil ihr ausseht wie Fische auf dem Trockenen. Wenn ihr wieder atmen könnt, werde ich euch hinüberbitten. In der Zwischenzeit muss ich kurz mit ihr sprechen.«
    Er entschuldigte sich und trat zu der Frauengruppe. Sie empfingen ihn freundlich und mit einigem Kichern, als er sich ernst vor jeder verbeugte. Seine tiefste und höflichste Verbeugung war für Miss Jones reserviert, die diese bloß mit einem Nicken und einem höflichen Lächeln erwiderte. Offensichtlich war sie sich seiner wahren Gefühle für sie immer noch nicht bewusst, obwohl sie jedem, der zufällig in ihre Richtung blickte, schmerzhaft klar sein mussten.
    »Seine Eltern billigen das vielleicht nicht«, bemerkte Oliver.
    »Was?«
    »Dass er sie heiraten möchte. Der alte Warburton ist ein furchtbar praktisch veranlagter Mann mit einem Widerwillen gegen Mädchen, die weder Geld noch einen Namen ihr Eigen nennen. Wenn sie kein Geld, kein Eigentum, keine vornehme Herkunft oder alle drei Dinge aufzuweisen hat, müssen sie durchbrennen.«
    »Also nimmst du Tonys Aussage ernst?«
    »Ja, dieses Mal schon. Ich habe ihn für seine Anfälligkeit für Schönheit gescholten und dafür, dass er sich jede zweite Woche in ein neues Mädchen verliebt, aber bei dieser hier ist das etwas andere s.«
    Das war eine Untertreibung. Sie war nichts weniger als erstaunlich. Ich konnte meine Augen nicht von ihr abwenden.
    Auch fühlte ich eine vertraute Regung, die es unbedingt erforderlich machte, wegzusehen, damit sich nicht etwas Peinliches in der engen Gefangenschaft meiner schwarzen Samthose bilden konnte. Doch ich fuhr fort, die überirdische Schönheit anzustarren, die weniger als ein Dutzend Fuß entfernt stand, trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und schwankte. Mir kam der flüchtige Gedanke , dass ich in der Klemme steckte.
    Dann sah sie mich direkt an.
    Diese Augen ... Ich schluckte – ohne Erfolg, da mein Mund trocken war – und mein Herz gab ein unregelmäßiges Pochen von sich, das alle gehört haben mussten. Sie schien es sicherlich gehört zu haben, denn sie lächelte mich an, betrachtete mich von oben bis unten und lächelte dann wieder. Inzwischen war ich sicher, dass die Welt zuerst aufgehört hatte, sich zu drehen, und sich dann beeilte, um die verlorene Zeit aufzuholen. Im Unterschied zu dem, welches sie Warburton geschenkt hatte, war dieses Lächeln warm vor Interesse. Ich musste mich umdrehen und nachsehen, ob jemand hinter mir stand, weil ich kaum glauben konnte, dass ich der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit war.
    Sie neigte den Kopf, um etwas zu Warburton zu sagen, der sogleich die Gruppe verließ und zu uns kam.
    »Möchtet ihr nun mit ihr zusammentreffen?«, fragte er.
    Möchte die hereinbrechende Flut mit dem Land zusammentreffen? So drängte ich vorwärts. Warburton machte uns bekannt, auch mit den anderen Damen, aber ihr Name war der einzige, den ich hörte, ihr Gesicht war das Einzige, das ich sah.
    Sie befragte mich zu meiner Gesundheit, und ich murmelte und stotterte eine Antwort. Das Blut strömte mir heiß und kalt durch die Lenden und lenkte mich zu sehr ab, als dass ich etwas Verständliches hätte sagen können. Es war wundervoll und gleichzeitig ein Martyrium, da ich wirklich einen guten Eindruck auf sie machen wollte, aber nicht fähig war, mir etwas einfallen zu lassen, was ich sagen oder tun könne, außer mich wie ein betäubtes Schaf zu benehmen.
    Kaum eine Minute war vergangen, und sie entschwand mit Warburton. Kein Zweifel, dass er sich einen abgeschiedenen Fleck in diesem Garten suchen und ihr einen Heiratsantrag machen würde. Das wäre dann das Ende jeder Chance, die ich vielleicht gehabt hätte, meine eigene Bekanntschaft mit ihr zu vertiefen. Plötzlich verschwand alle Farbe aus meiner Welt.
    »Stimmt etwas nicht?«, fragte Oliver. »Großer Gott. Vielleicht setzt du dich besser hin. Du bist krank.«
    »Es geht mir gut«, log ich.
    »Das ist nicht wahr, und da ich fast Arzt bin, sollte ich das wissen. Komm hierher, und ich werde dir einen Brandy besorgen.«
    Er führte mich zu einer Bank und sagte mir, ich solle mich hinsetzen. Verzweifelt sah ich zu, wie Warburton und Miss Jones in der Menge verschwanden. Ich hatte meine Chance gehabt, und nun war sie vergangen. Als Oliver mit dem versprochenen Getränk wiederkam, wünschte ich mir von Herzen, es sei der Schierlingsbecher.

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