Der Rote Tod
nicht so dumm. Über uns.«
Kohler schaute seine Frau an. Und wieder lag der düstere Schleier in seinen Augen. Selbst seine Ehefrau bekam fast Angst vor ihm. »Willst du mich verlassen?«
»Nein!«
»Aber du hast daran gedacht?«
Sie senkte den Blick, um ihm bei der Antwort nicht in die Augen schauen zu müssen. »Ich habe sogar mal mit dem Gedanken gespielt, und es liegt noch nicht lange zurück. Du bist mir so entfremdet. Du denkst nur an dich und deine verdammte Rolle, die du nicht hättest annehmen sollen.«
Er drückte die Zigarette im Ascher aus. »Warum nicht?«
»Du spielst den Teufel in einer bestimmten Verkleidung.«
»Das ist richtig. Ein Schauspieler muss einen Heiligen ebenso spielen können wie einen Teufel.«
»Dagegen sage ich auch nichts. Aber du spielst ihn nicht nur, du bist der Teufel. Ich habe dich zweimal auf der Bühne gesehen, und dein Spiel hat mir Angst eingejagt. Darüber kannst du jetzt lachen oder nicht. Es ist so gewesen.«
»Danke für das Kompliment.«
»Irrtum, das war es nicht.« Sie schüttelte hart lachend den Kopf. »Seitdem du dich mit dieser verdammten Rolle beschäftigst, bist du eine andere Person geworden.«
»Du denkst, ich bin der Teufel?«
»Ja.« Gertrud bereute es, die Antwort gegeben zu haben. Sie wollte sich schon entschuldigen und hatte auch den Arm ausgestreckt, um ihren Mann zu streicheln, als dieser seinen Kopf bewegte und ihr eine Antwort gab, die sie schockierte.
»Es kann sein, dass du Recht hast. Vielleicht bin ich der Teufel in der Gestalt eines anderen. Was ist Schauspiel im Leben, was ist echt? Man weiß es nicht.«
»Du bist auf dem richtigen Weg, Richard, man weiß es nicht. Und wenn man drinsteckt, kann man es auch nicht mehr richtig trennen. Das ist wohl wahr.«
»Kannst du mir das genauer erklären?«
»Lieber nicht.«
Er schaute sie scharf ab. »Ich bestehe aber darauf!«
Gertrud überlegte. Sie ließ ihre Blicke durch das Wohnmobil wandern, das objektiv zu den größeren zählte. Sie hatte sich stets wohl gefühlt und war froh gewesen, so viel Platz zu haben. Dieses Gefühl hatte sie jetzt verlassen, denn ihrer Meinung nach war der Raum um die Hälfte geschrumpft. Jetzt fühlte sie sich wie in einem Gefängnis, aus dem sie sich nicht so leicht würde befreien können.
»Ich warte auf eine Antwort, Gertrud.«
»Nein, Richard, nein.«
Er grinste sie an, und sie hätte am liebsten ihren Kopf zur Seite gedreht. Das schaffte sie nicht, denn sein Blick hielt sie fest. Sie konzentrierte sich auf seine Augen und erlebte dort eine Veränderung, wobei sie sicher war, sich diese nicht einzubilden. Nicht nur scharf schaute er sie an, sondern auch anders. Vielleicht fremd, denn in seinem Blick lauerte etwas Fremdes und Animalisches, das sie bisher noch nicht an ihm entdeckt hatte.
»Was ist mit dir, Richard?«, fragte sie leise.
»Du bist mir noch eine Antwort schuldig.«
Sie hob die Schultern. »Ich kann es nicht mehr sagen, aber ich weiß, dass du nicht mehr der Richard Kohler bist, den ich damals kennen gelernt habe. Etwas steckt in dir, und es ist nichts Positives oder Gutes, sondern etwas, das mir Angst macht. Ja, so genau muss ich dir das sagen. Äußerlich bist du fast der Gleiche geblieben, denn wir werden alle älter. Doch innerlich hast du eine Kehrtwendung vollzogen.«
Er lächelte, und auch das gefiel seiner Frau nicht. Aber sie gab keinen Kommentar ab. »Dann glaubst du also, dass in mir die Person steckt, die ich spiele?«
Gertrud Kohler gab keine Antwort. Sie blieb starr auf ihrem Platz sitzen.
»Bin ich der Teufel?«
Sie fror plötzlich. »Bitte, Richard, bitte, lass es sein. Ich will daran nicht denken.«
»Bin ich der Teufel?«, zischte er sie an.
Die Frau schloss die Augen. Sie fühlte sich plötzlich so verdammt schlecht. Sie machte sich Vorwürfe, dieses Thema überhaupt angeschnitten zu haben, doch ein glattes Nein rutschte auch nicht über ihre Lippen.
Das Lachen erschreckte sie, und kurz danach hörte sie die Stimme ihres Mannes.
»Kann sein, dass du Recht hast. Kann sein... vielleicht bin ich ja der... Teufel...«
***
Harry Stahl hatte sich schon erkundigt, wo wir den Platz fanden, auf dem die Wohnwagen standen. Er lag etwas außerhalb der Stadt, doch lange brauchten wir nicht zu fahren. Nicht weit vom Leinekanal entfernt hatten die Wagen einen geschützten Platz gefunden, der von hohen Bäumen eingefriedet war.
Die Wohnwagensaison hatte noch nicht richtig begonnen, deshalb war das Areal noch ziemlich
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