Der Rote Tod
muss man halten.«
»Gut gesagt. Kommst du dann?«
»Klar.« Sie rutschte von der Schaukel. »Ich brauche nicht mal meinen Eltern Bescheid zu geben, denen habe ich schon alles gesagt.«
»Das ist stark.«
Beide gingen zum BMW. Uns schickte Frau Dorn noch ein mokantes Lächeln, bevor sie einstieg und mit dem Starten wartete, bis sie und das Mädchen sich angeschnallt hatten.
Ich räusperte mich. »Hat diese Dame Profilierungsprobleme, Harry?«
»Sieht ganz so aus. Mich jedenfalls mag sie nicht besonders. Und dich auch nicht.«
»Stört’s dich?«
»Nein.« Er schlug mir auf die Schulter. Hanna ist zwar die wichtigste Zeugin, doch ich denke, dass wir auch noch mit ihren Eltern reden sollten.«
»Nichts dagegen.«
Gelogen war das nicht. Mir wäre nur lieber gewesen, Action in diesen Fall zu bekommen, um dann dem Roten Tod gegenüberzustehen. Es läuft eben nicht immer alles so, wie man es sich wünscht. Aber ich würde ihn finden, das schwor ich mir...
***
»Das ist doch ein Witz!«, flüsterte Gertrud Kohler. Ihre Gesichtsfarbe war noch fahler geworden als das Haar, das sie in bestimmten Intervallen immer wieder färbte, wenn die Naturfarbe zu stark durchbrach.
»Was soll ein Witz sein – bitte?«
»Dass du der Teufel bist.«
»Nein!«
Gertrud holte scharf Luft. »Verdammt noch mal, der Teufel sieht doch nicht so aus wie du. Sag das nur nicht unserer Tochter. Die denkt doch, einen Irren vor sich zu haben.«
»Woher weißt du denn, wie der Teufel aussieht?«
»Es gibt Bücher, in denen er beschrieben wurde. Zeichnungen habe ich auch gesehen, und wenn du dir den Ur-Faust ansiehst, dann hat er auch ein bestimmtes Aussehen.«
»Das ist wahr. Aber es wechselt auch mit der Inszenierung. Ich glaube, dass nur wenige sein wahres Gesicht kennen. Wenn er will, kann er immer andere Gestalten annehmen.«
Gertrud Kohler senkte den Kopf und schüttelte ihn. »Hör auf mit dem Mist, bitte. Ich kann das nicht mehr hören, es ist für mich einfach zu weit weg. Ich will auch nicht näher darüber nachdenken. Der Teufel ist für mich einfach abstrakt.«
»Und was ist mit dem Roten Tod?«
»Das weiß ich nicht.«
Der Schauspieler lachte. »Du machst dir keine Gedanken um die Dinge, die die Welt bewegen, aber ich sage dir, dass es viele Dinge gibt, die kaum ein Mensch begreifen kann. Ich habe sie begriffen, das kann ich dir schwören.«
Die Frau winkte ab. »Hör jetzt auf mit der Schauspielerei. Du bist hier nicht auf der Bühne.«
»Irrtum«, erklärte er kalt. »Das spielt für mich keine Rolle. Für mich ist das Leben eine einzige Bühne und nicht nur dieses Viereck, auf dem ich spiele, es ist das Leben selbst, ja, nichts anderes, verdammt noch mal. Das Leben bietet die beste Bühne der Welt, und sie ist reif für die verschiedensten Verkleidungen.«
»Wie auch für den Roten Tod.«
»Allmählich begreifst du es.«
»Scheiße, das will ich aber nicht begreifen. Ich weigere mich einfach. Hast du gehört?«
»Du hast laut genug gesprochen.«
»Super. Dann ist dieses Thema für mich erledigt.«
»Irrtum.«
»Wieso?«, schnappte Gertrud.
»Es fängt gerade erst an. Der Keim ist gesät. Die Pflanze hat den Boden bereits durchbrochen. Gegensätze verschwinden oder ziehen sich an, wenn eine andere Macht dirigiert. Das solltest du nicht vergessen.«
»Hör doch auf mit dem Mist!« Hart schlug sie mit der Faust auf den Tisch. Das Geschirr begann zu tanzen, was Richard Kohler nicht weiter störte. Er bewegte sich nicht auf seinem Platz, sondern schaute seine Frau starr aus recht kurzer Distanz an.
Gertrud wollte etwas sagen. Sie hatte den Mund bereits geöffnet, aber sie bekam die Worte nicht mehr hervor, denn ihr Mann begann sich zu verändern. Dazu brauchte er nicht mal aufzustehen, denn diese Veränderung betraf einzig und allein sein Gesicht, wobei sie an den Augen ihren Anfang nahm, denn sie fingen damit an, sich mit Blut zu füllen, das vom Hinterkopf nach vorn gepumpt wurde.
Es war unglaublich, aber die dunklen Pupillen des Mannes verschwanden unter der roten Blutschicht, die jetzt als zwei dicke Tropfen liegen blieben und nicht über die Ränder hinweg nach unten rannen.
»Ri... Rich...«
»Psst!«
Die Verwandlung setzte sich fort. Diesmal nicht von allein, denn der Mann hob seine Hände an und klemmte die Haut zwischen seine beiden Daumen und Zeigefinger.
Die Frau wusste nicht, was folgte. Sie wollte wegschauen, was sie nicht schaffte, denn wie das Kaninchen vor der Schlange hockte sie wie
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