Der Rote Tod
aussieht?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Vielleicht hat sie es, vielleicht auch nicht. Ich habe sie nicht danach gefragt. Aber von meiner Aufgabe kann mich nichts abhalten, verstehst du? Nichts und niemand. Ich denke, ich bin deutlich genug geworden.«
Gertrud brauchte nicht lange zu überlegen. Sie gab die Antwort schnell. »Ja, ich verstehe dich. Du hast laut genug gesprochen, und ich weiß auch, was dahinter steckt.«
»Dann ist es gut.«
Die Frau legte die Hände zusammen, als wollte sie beten. »Bitte«
»flüsterte sie, »bitte, ich möchte nicht, dass du unserem Kind etwas antust. Das kannst du nicht machen. Es gehört zu dir wie zu mir. Das musst du mir versprechen.«
Er stand auf. »Ich muss meinen Weg gehen. Alles andere wird sich ergeben.«
»Sie ist deine Tochter.«
»Ich gehe jetzt. Ich spüre die Unruhe.« Was er damit meinte, zeigte er deutlich, denn er drehte sich auf der Stelle und schaute in die verschiedenen Richtungen. »Etwas kommt auf uns zu, Gertrud. Etwas Gefährliches für mich.«
»Was ist es denn?«
»Ich kann es dir nicht sagen. Aber ich werde nicht hier im Wagen bleiben.«
»Wohin gehst du?«
Als Antwort bekam sie einen Blick zugeworfen, der eine weitere Frage erübrigte. Er wollte und würde ihr nichts mehr sagen. Er drehte sich um und schritt auf die Tür zu, die er öffnete. Der kurze Blick nach draußen, dann huschte er ins Freie und drückte die Tür wieder hinter sich zu.
Gertrud blieb zurück. Sie saß am Tisch wie eine Statue und konnte nichts begreifen. Irgendwann schüttelte sie den Kopf. Sie hatte sich vorgenommen, sich zusammenzureißen, doch das war nicht mehr möglich. Zuviel Stress, und die Tränen kamen wie von allein. Ihr Kopf sank nach vom. Gertrud Kohler weinte bitterlich...
***
Wir hatten die Qual der Wahl und mussten das rollende Heim finden, in dem die Kohlers wohnten. Frau Dorn war mit Hanna weggefahren und hatte zwei Männer zurückgelassen, die in Gedanken versunken waren.
Harry Stahl sprach mich an. »Wenn ich ehrlich bin, habe ich meine Probleme mit dem Mädchen.«
»Warum?«
»Findest du es nicht ungewöhnlich, dass Hanna ihre Eltern nicht darüber informiert hat, dass sie mit deiner Kollegin losfahren will. Meiner Ansicht nach hätte das jedes Kind getan. Oder sehe ich das zu eng?«
»Ich denke nicht.«
»Da bin ich ja beruhigt.«
»Sie wird einen Grund gehabt haben.«
»Kannst du dir einen vorstellen, John?«
Stress mit den Eltern. Wäre in ihrem Alter normal.«
»Klar. Harry kickte einen kleinen Stein weg. »Auf der anderen Seite hat sie den Killer gesehen, den Roten Tod. Sie ist praktisch unsere einzige Zeugin. Sie hat geredet, aber wissen wir beide, was sie wirklich gesehen hat? Glaubst du, dass sie uns alles gesagt hat?«
»Ich könnte es mir vorstellen. Es wäre normal. Nur habe ich das Gefühl, dass in diesem Fall so einiges schief und auch an uns vorbeiläuft. Jeder, der etwas weiß, versteckt sich. Hanna wollte nicht mit uns reden. Ich kann mir sogar denken, dass ihr das Erscheinen einer gewissen Frau Dorn sehr gelegen gekommen ist. So ist sie erstmal aus dem Zentrum verschwunden. Ich denke, dass wir mehr über sie wissen müssen, und genau das soll uns ihre Mutter erzählen.«
»Hoffen wir, dass sie sich nicht verstockt zeigt.«
In welchem Wagen die Kohlers lebten, wussten wir nicht. Aber wir hatten einen Mund, um zu fragen. Dass sich in der letzten Zeit fremde Menschen auf dem Platz aufgehalten hatten, war auch den Bewohnern aufgefallen. Einige von ihnen hatten ihre rollenden Unterkünfte verlassen, schauten sich um, ohne etwas zu entdecken und konnten sich nur an uns halten, da wir uns recht fremd über den Platz bewegten.
Ein Mann, der eine Jogginghose und ein blaues Unterhemd trug und eine Gießkanne aus Metall in der Hand hielt, trat uns in den Weg.
»Es sieht so aus, als würden Sie jemanden suchen. Können wir vielleicht helfen?«
Im Hintergrund warteten vier andere Camper auf eine Antwort, die Harry Stahl lächelnd als Frage formulierte.
»Würden Sie uns bitte sagen, wo wir die Familie Kohler finden?«
»Ach, den Schauspieler?«
»Genau den.«
»Kein Problem.« Er schien erleichtert darüber zu sein, dass wir nicht mehr wollten. Möglicherweise hatte er »gesehen«, dass wir von der Polizei waren. Er antwortete sehr schnell und brauchte nicht viel zu sagen, denn der entsprechende Wagen – ein Wohnmobil – stand in der Nähe. Wir blickten auf dessen Heck. Er hatte seinen Platz unter Bäumen gefunden,
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