Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rote Tod

Der Rote Tod

Titel: Der Rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Kohler hatte geweint. Da brauchte ich nur einen Blick in die Augen zu werfen, um das zu erkennen. Jetzt riss sie sich zusammen, sodass uns ihr Verhalten unnatürlich vorkam. Die Hände hatte sie zu Fäusten geballt und in den Schoß gelegt. Dafür bewegten sich die Augen unruhig. Den Blick auf einen von uns konnte sie nie lange halten.
    »Sie haben Probleme, nicht wahr?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Man sieht es, und wir sind gekommen, um Ihnen zu helfen. Es geht uns auch um Hanna.«
    Sie dachte einen Moment nach, dann brach es aus ihr heraus. »Meine Güte, es ist so schrecklich. Das Kind hat einen Mörder gesehen und eine Leiche gefunden. Ich habe mit ihr gesprochen. Hanna ist ganz durcheinander gewesen. Ich hätte sie nicht zum Spielen lassen sollen.«
    Gertrud Kohler hatte behauptet, Hanna wäre durcheinander gewesen. Den Eindruck hatten wir nicht von ihr gehabt. Uns war sie sogar recht cool vorgekommen.
    Das Thema schnitt keiner von uns an, denn wir wollten sie nicht noch stärker verunsichern.
    Harry beruhigte sie dann auch. »Hanna ist bei Hauptkommissarin Dorn in guten Händen.«
    »Meinen Sie? Die quetschen sie doch nur aus. Sie wird immer mehr verunsichert.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Warum hat man sie denn dann mitgenommen?«
    »Sie soll sich Zeichnungen anschauen.«
    »Ach...«
    »Ja, es könnte sein, dass sie es schafft, den Mörder wieder zu erkennen. Sie ist schließlich die einzige Zeugin, die den Roten Tod mit eigenen Augen gesehen hat. Für die anderen Menschen hier ist er nicht mehr als eine Legende. Aber sie kennt ihn, und das muss die Polizei natürlich ausnutzen. Deshalb will man mit ihr reden.«
    Wir hatten die Frau nicht aus den Augen gelassen.
    Uns war ihr leichtes Erschrecken aufgefallen, und für einen Moment hatte es ausgesehen, als wollte sie uns eine Antwort geben, da allerdings hatten wir uns getäuscht. Sie sagte nichts.
    Gertrud Kohler nickte. »Dann wird sie bestimmt auch wieder zurückgebracht.«
    »Das denke ich doch«, sagte Harry. »Meine Kollegin hat schon ein Verantwortungsgefühl.«
    »Natürlich.«
    »Aber Ihnen geht es schlecht.«
    »Wieso?«
    »Sie haben geweint.«
    Gertrud Kohler schloss für einen Moment die Augen. Ihre Haltung wurde verkrampft, und schließlich nickte sie zuerst mir, dann Harry zu. »Ja, ich habe geweint, und man sieht es mir auch an. Aber ist das ein Wunder, nach all dem, was geschehen ist? Sie können mir glauben, dass ich eine verdammte Angst um meine Tochter gehabt habe und sie noch immer habe. Da muss es einfach hinaus. Ich bin nicht so abgebrüht, wirklich nicht. Ich bin schließlich die Mutter.«
    Sie hatte sehr überzeugend gesprochen. Ich bekam mit der Antwort trotzdem meine Probleme. Natürlich hatte sie ihren Tränen freien Lauf gelassen, doch wer sie anschaute, der musste einfach erkennen, dass dieses Weinen noch nicht lange zurücklag. Die Tränen waren wahrscheinlich bis kurz vor unserem Eintreffen geflossen. Da war ihre Tochter längst unter ihrer Obhut gewesen. So konnte ich mir vorstellen, dass dieser Gefühlsausbruch einen anderen Grund gehabt hatte.
    »Das verstehen wir«, sagte Harry, »aber ich denke nicht, dass Sie sich große Sorgen um Hanna machen müssen.«
    »Das sagen Sie.«
    »Und wie steht es mit Ihrem Mann?«, fragte ich dazwischen. »Wie verhält er sich in diesem Fall?«
    »Wieso?«
    »Ja, so wie ich es meine. Was sagt er dazu?«
    Gertrud Kohler kam ins Grübeln. Sie senkte den Kopf und strich über ihre Stirn. Ich hatte das Gefühl, dass sie zunächst nicht reden wollte, weil sie etwas verbarg. Sie hob auch die Schultern und meinte schließlich: »Er ist auch geschockt gewesen.«
    Lüge oder nicht?
    »Aber er ist nicht bei Ihnen.«
    »Ich sagte schon, dass er zur Probe muss. Der Beruf fordert ihn jeden Tag aufs Neue. Da kann er sich nicht um alles kümmern. Damit Sie beruhigt sind, auch er war entsetzt, als er von diesen schrecklichen Dingen erfuhr. Das bleibt ja nicht aus. Schließlich ist er nur ein Mensch, wenn Sie verstehen.«
    »Natürlich verstehen wir das«, sagte ich. »Aber ich würde gern noch erfahren, was er in diesem Stück spielt?«
    »Den Teufel. Ja, er ist so etwas wie der Mephisto. Er hat jemandem die Seele abgekauft. Eine moderne Faust-Adaption.«
    »Mit diesem Stück hat er Erfolg?«
    »Großen sogar. Er ist zugleich auch der Regisseur. Wir spielen es hier in Göttingen zum ersten Mal.«
    »Hat das einen Grund?«
    »Da müssen Sie meinen Mann fragen.«
    »Aber er spielt es weiter?«
    »Natürlich, was

Weitere Kostenlose Bücher