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Der Rote Tod

Der Rote Tod

Titel: Der Rote Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nicht zu begreifen. Auch wenn sie hinterfragte, hatte sie kein Glück, und sie wurde einfach das Bild nicht mehr los, das ihr Mann geboten hatte.
    Blutige Augen, ein blutiges Gesicht. Eine zerrissene Haut, aus der der dunkle Saft des Lebens gequollen war. Einfach ein Bild des Schreckens, das in einen Horrorfilm gepasst hätte, aber nicht in die Realität. Die sehr alte Legende war zurückgekehrt, das Grauen hatte Gestalt angenommen, und es sah so aus wie Richard.
    Richard, der Mörder!
    Richard, der Rote Tod!
    Einer, der zwei Leben führte. Nach außen hin ein völlig normales, auch wenn sein Beruf außergewöhnlich war.
    Ein Mörder!
    Erbrachte Menschen um. Er hatte es bewiesen, und er hatte sich ihr gegenüber offenbart. Wenn sie im Nachhinein darüber nachdachte, musste sie zugeben, viel Glück gehabt zu haben, denn wie leicht hätte er auch sie töten können.
    Das hatte er nicht getan. Ebenso hatte er Hanna am Leben gelassen. Aber wie lange noch? Wann würde er seine Scheu über Bord werfen und auch die Familie aus dem Weg räumen?
    Tragödien dieser Art waren kein Einzelfall. Man las fast täglich in den Zeitungen davon. Immer wieder drehte ein Familienvater durch und erschoss die, mit denen er lange zusammengelebt hatte. Von diesem Schicksal waren sie und Hanna vielleicht nur einen Schritt entfernt.
    Gertrud Kohler wusste nicht, was sie unternehmen sollte. Das Wohnmobil kam ihr plötzlich vor wie ein Gefängnis. Dabei war sie immer so stolz darauf gewesen. Das war längst vorbei. Ihr Leben hatte einen Riss bekommen. Nichts mehr würde so sein wie sonst.
    Und Hanna kehrte auch nicht zurück. Gertrud verdrängte die Erinnerung an ihren Mann. Jetzt war die Tochter wichtiger. Man hatte sie mit zur Polizei genommen. Aber dauerte die Befragung wirklich so lange? Was wollte man von ihr?
    Die Sorgen drückten immer schwerer, und sie sorgten dafür, dass Gertrud die Tränen kamen. Noch immer saß sie auf ihrem Platz. Sie hatte einfach nicht die Kraft aufzustehen. In den letzten Minuten war sie um Jahre gealtert. Die Sorgen malten sich auf ihrem Gesicht ab, aber sie wurden nicht von den Tränen weggespült.
    Kann ich noch etwas tun?
    Mit dieser Frage beschäftigte sich Gertrud. Dabei ging es ihr weniger um sie als um Hanna. Was würde mit Hanna passieren?
    Sie war ein sehr aufgewecktes und intelligentes Kind. Eines, das mit offenen Augen durch’s Leben ging und sicherlich mehr wusste, als es zugab.
    Ein dumpfer Laut erreichte ihre Ohren. Er war nicht im Wagen aufgeklungen, sondern draußen. Das Geräusch wiederholte sich nicht, und Gertrud Kohler dachte auch nicht weiter darüber nach. Bis Sekunden später jemand gegen die Seitentür klopfte.
    Besuch?
    Die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Sie dachte an Hanna, aber auch an ihren Mann, doch die hätten nicht geklopft. Der Besucher musste ein Fremder sein.
    Es klopfte erneut. Gertrud traute sich nicht, eine Antwort zu geben. Die wurde auch nicht erwartet, denn sie sah, dass sich die Klinke bewegte, wenig später öffnete sich die Tür nach außen hin, und dann sah sie den Umriss einer Frau.
    »Darf ich eintreten, Frau Kohler?«
    »Ja, ja...«
    »Danke.« Ulrike Dom lächelte, als sie den Wohnwagen betrat. »Wir kennen uns ja bereits«, sagte sie und schloss die Tür wieder. »Bei mir haben sich einige Probleme ergeben, die ich mit Ihrer Hilfe lösen möchte. Oder zumindest einen Versuch starten.«
    »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
    »Danke.«
    Gertrud Kohler versuchte mit hektischen Bewegungen die Spuren der Tränen aus ihrem Gesicht zu beseitigen. So schnell schaffte sie es nicht, es blieben schon einige dunkle und auch feuchte Spuren zurück, die Ulrike Dorn wohl wahrnahm, aber nichts dazu sagte, denn sie wollte die Frau nicht verunsichern.
    Bevor sie etwas sagen konnte, stellte Gertrud Kohler eine Frage. »Warum haben Sie Hanna nicht mitgebracht?«
    Für einen Moment malte sich die Enttäuschung auf dem Gesicht der Hauptkommissarin ab. Sie hatte eigentlich damit gerechnet, Hanna hier bei ihrer Mutter zu finden. Schon beim Eintreten hatte sie einen Teil der Hoffnung fahren lassen. Nun hatte sie den Beweis dafür bekommen, dass sie mit ihrer Annahme richtig gelegen hatte. »Um Hanna geht es, Frau Kohler.«
    Gertrud erschrak. Obwohl die Worte ruhig gesprochen worden waren, spürte sie, dass mehr dahinter steckte. Sie wusste plötzlich nicht mehr, wohin mit ihren Händen. Es war ihr unmöglich, sie flach auf dem Tisch liegen zu lassen. Sie rutschten hin und her. Das

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