Der Rote Wolf
hat große Staubsauger, die fast alle Arten von Partikeln aufsaugen. Aber dieses Staubkorn ist all die Jahre durch den Filter gerutscht.«
Jetzt fiel sie nicht mehr, sondern schwebte sicher und schwerelos in der Stille.
»Aber wie ist ihm das gelungen? Wenn er tatsächlich so gefährlich ist, wie Sie glauben, wenn er wirklich ein international agierender Profikiller war, der seine Jobs gegen Zahlung hoher Geldsummen ausführte, wie konnte er dann entkommen? Warum hat ihn niemand erwischt?«
»Wir wissen nicht, ob es um große Summen ging, ob es überhaupt um Geld ging. Es ist gut möglich, dass er einfach aus Überzeugung gemordet hat.«
»Aber woher wissen Sie dann überhaupt, dass er der Täter war?«
»Es gibt eine Reihe von Fällen, bei denen wir fest davon überzeugt sind, und eine Reihe anderer, bei denen wir ziemlich sicher sind, und dann noch einen verdammten Haufen Leichen, bei dem wir nur einen Verdacht haben.«
»Aber warum Ragnwald? Hat er Fingerabdrücke hinterlassen? Kleine Servietten mit Lippenstiftabdrücken an den Tatorten?«
»Maulwürfe«, meinte »V-Männer.«
»Aha«, entgegnete Annika. »Mit anderen Worten, alles nur Gerüchte und Spekulationen.«
»Jetzt kommen Sie mir nicht so.«
Sie schwiegen eine Weile, und Annika war es warm ums Herz.
»Eins verstehe ich nicht«, sagte sie, als sie beide so lange geschwiegen hatten, dass sie plötzlich befürchtete, allein am Telefon zu sitzen. »Es muss doch jemand die Möglichkeit besessen haben, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, wie hätte er sonst Kontakt zu seinen Auftraggebern bekommen sollen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Jemand muss ihn doch für diese ganzen widerlichen Jobs gedungen haben. Wie haben diese Leute ihn erreicht?«
Der Kommissar zögerte einige Sekunden.
»Off the record«, sagte er dann. »Uber die ETA. Die spanische Polizei verdächtigt seit vielen Jahren einen Arzt in Bilbao, sein Mittelsmann zu sein, aber es ist ihnen nie gelungen, ausreichende Beweise zusammenzutragen, um den Mann vor Gericht bringen zu können. Solche Sachen sind im Baskenland sehr heikel. Wenn die dortigen Kollegen anfangen, die scheinbar unbescholtene bürgerliche Bevölkerung offen zu drangsalieren, kann die gesamte Region hochgehen wie ein Pulverfass. Der fragliche Arzt ist ein ehrenwerter Akademiker mit Familie und einer eigenen Praxis für Innere Medizin.«
»Hätten Sie Ragnwald denn nicht anwerben und ihn so in eine Falle locken können?«, fragte Annika.
»Möglich, dass man so etwas versucht hat, aber darüber weiß ich nichts«, erklärte Q nach kurzem Zögern.
Hier verlief also die Grenze für seine Offenherzigkeit. Sie beschloss, ihn nicht weiter zu bedrängen, rieb die Füße aneinander und spürte, dass ihr Kreislauf wieder in Schwung gekommen war.
»Aber wenn er nicht in Frankreich gewesen ist, wo hat er sich dann aufgehalten?«
»Er ist anscheinend schon relativ viel in Frankreich gewesen«, sagte Q der jetzt wieder auf sicherem Terrain war, »aber er hat dort nicht gewohnt. Wir glauben nicht, dass er jemals einen festen Wohnsitz hatte.«
»Das heißt, er hat dreißig Jahre lang gecampt?«
»Wir glauben, dass er sich als Nordafrikaner ausgegeben hat«, antwortete Q »als Mitglied einer Gruppe illegaler Einwanderer, die auf der Suche nach Saisonarbeit auf dem Lande umherzieht.«
»Landarbeiter?«, sagte Annika.
»Sie ziehen von Dorf zu Dorf, von Land zu Land, je nachdem, wo gerade Ernte ist. Sie wohnen kürzere Zeit in Baracken oder eigens dafür errichteten Lagern, Zehntausende Menschen, die sich nach getaner Arbeit in kleinere oder größere Gruppen aufspalten, um weiterzuziehen. Sie sind unermüdlich unterwegs, ohne jemals irgendwo anzukommen.«
Annika nickte unwillkürlich und konnte sie vor sich sehen, wie in diesem Film von Lasse Hallström, wie hieß er noch gleich?
»Und aus keinem von ihnen ist auch nur ein Wort über die anderen herauszubekommen«, sagte sie.
»Absolute Loyalität«, bestätigte Q. »Keiner macht sich Gedanken, wenn jemand für ein paar Wochen oder Monate oder auch für immer verschwindet.«
»Und es wundert sich auch niemand, wenn man wieder auftaucht«, ergänzte Annika.
»Keine Fragen«, sagte CK »Das Geld bei Arbeitsende bar auf die Hand.«
»Keine Bankkonten«, meinte Q.
»Keine Miete, die bezahlt, keine Familie, die versorgt werden muss.«
»Viele von den anderen Saisonarbeitern haben tatsächlich Familie«, sagte CK.
»Einige von ihnen ernähren sogar ganze Großfamilien, aber
Weitere Kostenlose Bücher