Der Rote Wolf
pikante Details aus der Geschichte des schwedischen Terrorismus, unter anderem berichtete er über den Erfinder und Doktor der Philosophie Martin Ekenberg aus Töreboda, dem im Grunde nur eine einzige Erfindung gelang: die Briefbombe. Sie stutzte, als sie einige Formulierungen entdeckte, die sie selbst in ihren Artikeln zum gleichen Thema benutzt hatte, die nur ein oder zwei Wochen früher erschienen waren. Ekland hatte sich offensichtlich ausgesprochen handfest von seinen Kollegen spirieren lassen, dachte sie nüchtern.
Sie blätterte in dem Stapel von Artikeln. Viele Sachen waren alte Hüte, anderes war ihr dagegen vollkommen neu. Sie las mit wachsendem Interesse über den Wirbel in den norrbottnischen Schären im Frühjahr 1987, als die Armee tagelang nach U-Booten und gelandeten sowjetischen Spetsnaz-Verbänden zwischen den Felseneilanden gesucht hatte. Hartnäckig hatte sich mehr als fünfzehn Jahre lang das Gerücht gehalten, ein russischer Froschmann sei von einem schwedischen Offizier ins Bein geschossen worden. Der Hund des Offiziers schlug an, weil er etwas gewittert hatte, der Offizier schoss in ein Gebüsch, woraufhin man Blutspuren im Gestrüpp fand, die sich im Meer verloren. Benny Ekland war offenbar mehr daran interessiert gewesen, das Gerücht so lebendig ie möglich wiederzugeben, als der Frage auf den Grund zu gehen, was da wirklich passiert war. Der militärische Stab in der Nordschwedischen Stadt Boden wurde nur kurz mit dem Hinweis zitiert, der Zeitgeist sei Ende der achtziger Jahre ein ganz anderer gewesen als heute und niemand könne sich von Fehleinschätzungen freisprechen, nicht einmal die schwedische Armee, und es würde sich niemals ermitteln lassen, ob es tatsächlich jemals zu Verletzungen der Hoheitsgewässer in den norrbottnischen Fahrwassern gekommen war.
Zuunterst lag der Artikel, nach dem sie suchte, und die Informationen, die er enthielt, waren tatsächlich neu.
Ende der sechziger Jahre wurden die alten Lansen-Maschinen auf Norrbottens Fliegerhorst gegen moderne Flugzeuge vom Typ Drache als Jagd- und Aufklärungsflugzeuge ausgetauscht, schrieb Benny Ekland. Zu jener Zeit wurde der Fliegerhorst immer wieder zum Ziel von Sabotageversuchen an den neuen Flugzeugen. Die dazu benutzten »Waffen« bestanden aus Streichhölzern, die in die Pitot-Rohre der Flugzeuge eingeführt wurden. Diese Rohre saßen wie ein kleiner Speer an der vordersten Spitze des Flugzeugs und dienten der Messung von Luftdaten, wie dem Luftdruck und anderem.
Es galt als relativ sicher, dass die Schuldigen in den Kreisen linksradikaler Gruppen in Lulea, vor allem bei einigen maoistischen Splittergruppen, zu suchen waren. Die Maschinen wurden nie wirklich beschädigt, und es wurden auch keine Streichholzmarodeure gefasst, aber in dem Artikel wurden geheime Quellen auf dem Fliegerhorst F21 angeführt, die bestätigten, dass diese Schurkenstreiche die Grundlage für den schwerwiegenden Anschlag bildeten, der folgen sollte. Offensichtlich ging man in Militärkreisen davon aus, dass die Maoisten etwas entdeckt hatten, was dann katastrophale Folgen zeitigte.
Nach jedem Flug, wenn das Flugzeug auf dem Rollfeld geparkt wurde, musste man Flüssigkeit absorbierendes Material auf der Erde verstreuen oder aber einen rostfreien Eimer hinter das Flugzeug stellen. Es wurde nämlich nicht das gesamte Flugbenzin im Motor verbrannt, sondern ein Teil davon wurde nach dem Abstellen der Maschinen abgesaugt und als Restbenzin gesammelt.
Am Abend des Anschlags, in der Nacht des 18. November 1969 hatte sich das gesamte Jagdgeschwader an einer großen abendlichen Flugübung beteiligt.
Hinterher standen die Maschinen noch auf dem Rollfeld, und das war der Moment, in dem die Terroristen zuschlugen.
Statt wie sonst das Streichholz in das Pitot-Rohr zu stopfen, zündete es jemand an und warf es in den Eimer mit Restbenzin, der hinter dem Flugzeug stand.
Daraufhin kam es augenblicklich zu einer gewaltigen Explosion.
Angesichts der wenig rühmlichen Rolle des Fliegerhorsts im Zweiten Weltkrieg lag die Vermutung nahe, dass lokal verankerte linke Splittergruppen auch hinter diesem Sabotageakt steckten, nur dass dieser im Gegensatz zu den früheren einen tödlichen Ausgang hatte, schrieb Benny Ekland.
Er schreibt zum Sterben langweilig, dachte Annika, aber die Theorie ist verdammt interessant.
»Kann ich mir den hier kopieren?«, fragte sie und hielt den Artikel hoch.
»Dann fanden Sie ihn also lesenswert?«
»Allerdings«, meinte
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