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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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durchdringend nach Putzmitteln.
    »Was haben diese wilden Tiere denn gemacht, was war so schrecklich?«, fragte Annika.
    Thord stand auf, ging zur Spüle, füllte ein Glas mit Wasser und hielt es in der Hand, ohne daraus zu trinken.
    »Sie ist nie ganz darüber hinweggekommen«, sagte er. »Es hat all die Jahre einen Schatten auf uns und unser Leben geworfen.«
    Er stellte das Glas auf die Spüle und lehnte sich gegen die Spülmaschine.
    »Margit hat mir die Geschichte nur ein einziges Mal erzählt, aber ich erinnere mich noch an jedes Wort.«
    Thord Axelsson sackte in sich zusammen und sprach dann leise und eintönig.
    »Es war Mitte November, aber nicht besonders kalt, es lag nur wenig Schnee.
    Sie sind von der Rückseite eingedrungen, von Lulviken aus. Da draußen gibt es nur Sommerhäuser, sodass kein Mensch in der Nähe war.«
    Er sah Annika mit ausdruckslosen Augen an, seine Arme hingen schlaff herab.
    »Margit war vorher noch nie auf dem Fliegerhorst gewesen, aber einer der Männer kannte das Areal recht gut. Sie wiesen Margit an, nicht die Hangars zu berühren und die Hunde nicht zu wecken, denn das waren richtig widerliche Bestien.«
    Sie machte sich diskret Notizen.
    »Sie liefen ungefähr einen Kilometer über die Heide. Die Männer warteten in einem Wäldchen, Margits Aufgabe war es, hinzugehen. Auf der freien Fläche vor der Wartungswerkstatt stand eine Maschine. Sie brach die Schutzhülle einer Platzpatrone auf, zündete sie an und warf sie in den Eimer mit Restbenzin, der hinter dem Flugzeug stand. Als sie sah, dass sich das Benzin entzündet hatte, näherten sich auf einmal zwei Wehrpflichtige. Sie lief auf den südlichen Zaun zu, und die beiden riefen sie an. Dann sprang sie hinter die Werkstatt und schaffte es gerade noch rechtzeitig vor der Explosion.«
    Annika schaute auf ihre Notizen hinab.
    Karina Björnlund war es nicht gewesen. Sie hatte sich geirrt.
    »Einer der Wehrpflichtigen brannte wie eine Fackel. Er schrie, bis er zusammenbrach.«
    Thord Axelsson schloss die Augen.
    »Margit konnte sich später nicht mehr daran erinnern, wie sie das Gelände des Fliegerhorsts verlassen hatte. Nach dieser Aktion löste sich die Gruppe auf. Sie haben sich seither nie mehr getroffen.«
    Er kehrte an den Tisch zurück, ließ sich mit den Händen vor dem Gesicht auf seinen Stuhl fallen und sah etwas vor seinem inneren Auge, das er zwar nicht selbst erlebt, das aber dennoch sein ganzes Leben geprägt hatte.
    Annika versuchte vergeblich, die Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen.
    »Warum ist das Flugzeug explodiert?«, fragte sie vorsichtig.
    Der Mann blickte auf und ließ die Arme auf die Tischplatte fallen.
    »Haben Sie schon einmal dieses raketenförmige Ding gesehen, das unter dem Rumpf eines Kampfjets sitzt?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Es sieht aus, als hätte Disney eine Mondrakete gezeichnet, aber es ist keine Bombe, sondern ein zusätzlicher Tank mit Flugbenzin. Seine Hülle ist ziemlich dünn, die Verpuffung im Blecheimer schlug ein Loch hinein.«
    »Aber warum stand die Maschine voll getankt auf dem Flugfeld?«
    »Kampfflugzeuge sind immer voll getankt, wenn sie in den Hangars stehen, weil das sicherer ist. Die Gase, die sich in den leeren Tanks bilden, sind wesentlich gefährlicher als der Treibstoff selbst. Der Junge, er stand direkt unter dem Tank, als dieser Feuer fing.«
    Es knarrte in den Holzwänden des Hauses, und die Verzweiflung war so greifbar, dass sie am liebsten geflohen, weggerannt wäre, nach Hause zu ihren Kindern, um sie zu küssen und zu liebkosen, nach Hause zu Thomas, um ihn mit Leib und Seele zu lieben.
    »Wer war damals alles dabei?«, fragte sie.
    Thord Axelssons Gesicht war ganz grau geworden, so als könnte er jeden Moment ohnmächtig werden.
    »Der Gelbe Drache und der Schwarze Panther«, sagte er heiser.
    »Der Drache war der Anführer, Göran Nilsson aus Sattajärvi«, sagte Annika.
    »Wer waren die anderen?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Thord Axelsson. »Karina war der Rote Wolf, aber wer die Typen in Wirklichkeit waren, weiß ich nicht.«
    »Wissen Sie, wie viele es waren?«
    Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Den Schwarzen Panther habe ich schon erwähnt. Löwe der Freiheit hieß einer, der Weiße Tiger ein anderer, und dann gab es eben noch den Drachen. Mehr waren sie nicht. Vier Männer und zwei Frauen.«
    Annika notierte sich die Namen, aber obwohl ihr bewusst war, wie komisch diese albernen Decknamen im Grunde waren, vermochte sie nicht darüber zu

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