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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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anderer Menschen hineinzuplatzen? In wessen Auftrag nahm sie die Zeit dieses Mannes in Anspruch?
    Sie griff nach ihrem Löffel und schlug mit ihm unwillkürlich gegen das Porzellan ihrer Kaffeetasse.
    »Margit war ein guter Mensch«, sagte Thord Axelsson und sah aus dem Fenster.
    »Sie meinte es gut, aber sie hatte schreckliche Geheimnisse. Deshalb ist sie gestorben.«
    Er nahm zwei Würfel aus der Zuckerschale und ließ sie in seinen Kaffee plumpsen. Anschließend verschränkte er die Arme vor der Brust und sah wieder auf die Straße hinaus.
    »Seit unserem Gespräch gestern habe ich viel nachgedacht«, sagte er, ohne Annika anzusehen. »Ich will erzählen, was passiert ist, aber ich möchte nicht, dass Sie Margits Andenken in den Schmutz ziehen.«
    Sie nickte, immer noch schweigend, und angelte nach dem Notizblock in der Tasche. Flüchtig schweifte ihr Blick über ordentlich geputzte Fensterscheiben und sorgfältig abgewischte orangefarbene Schranktüren, und sie nahm wahr, dass es nach Spülmittel roch.
    »Wie haben Sie beide sich kennen gelernt?«
    Der Mann sah zur Decke, saß sekundenlang völlig regungslos am Tisch, schaute dann zum Herd.
    »Wir sind uns in einer Kneipe in Lulea begegnet, an einem Samstagabend im Frühjahr '75. Ich war mit ein paar alten Kommilitonen unterwegs, und sie stand neben uns an der Theke und hörte, dass ich auf dem Fliegerhorst arbeitete.«
    Seine Gedanken verloren sich für einen Moment in der Vergangenheit.
    »Sie begann ein Gespräch mit mir«, fuhr er fort, »war interessiert, fast neugierig.«
    Er begegnete Annikas Blick und lächelte kurz und verlegen.
    »Ich fühlte mich geschmeichelt«, meinte er, »sie war sehr hübsch. Und intelligent. Ich mochte sie auf Anhieb.«
    Annika lächelte ihn an.
    »Wohnte sie damals in Lulea?«
    »Ja, im Stadtteil Lövskatan. Sie studierte an der Pädagogischen Hochschule und wollte Vorschullehrerin werden. Sie wollte gern mit Kindern arbeiten, sagte immer, dass sie unsere Zukunft seien. Schon damals bedeutete es ihr sehr viel, etwas zu erschaffen, sei es nun Kunst oder Leben …«
    Er legte die Hand vor den Mund und sah von neuem auf die Straße hinaus.
    »Margit war ein ernsthafter Mensch, sie war verantwortungsbewusst und loyal.
    Ich habe Glück gehabt.«
    Es wurde still in der Küche, sie hörte eine Uhr ticken, die Wände ächzten in der Kälte.
    »Was für ein Geheimnis hatte sie?«, fragte Annika schließlich.
    Er sah sie an.
    »Es geht um die wilden Tiere«, sagte er mit überraschendem Nachdruck in der Stimme. »Margit war schon als Jugendliche im Vereinsleben aktiv, Mitte der sechziger Jahre war sie eine von Nordschwedens besten Leichtathletinnen und schon früh Mitglied der Kommunistischen Partei.«
    Leichtathletik, dachte Annika und erinnerte sich an die Zeitungsausschnitte aus der
Norrlands-Tidningen.
    »Kannte sie Karina Björnlund?«
    »Die beiden sind Kusinen«, sagte er. »Woher wussten Sie das?« Annika stutzte und sah zu Boden, um sich nichts anmerken zu lassen.
    »Karina Björnlund trieb auch Sport«, sagte sie. »Dann standen die beiden sich nahe?«
    »Margit ist zwei Jahre älter, sie hatte ein wenig die Rolle einer großen Schwester übernommen. Sie war es auch, die Karina dazu gebracht hat, Sportlerin zu werden. Obwohl Margit selbst den Sport dann aufgab.«
    »Warum?«
    »Sie wollte sich lieber politisch engagieren. Und Karina ist ihr auch darin wieder gefolgt …«
    Annika wartete geduldig auf eine Fortsetzung, doch als keine kam, musste sie ihm auf die Sprünge helfen.
    »Also, wie war das jetzt mit den wilden Tieren?«
    »Sie waren eine dieser vielen linken Splittergruppen«, erzählte Thord Axelsson und strich sich über die Stirn. »Eine revolutionäre Zelle, die sich selbst als Verlängerung der Mutterzelle sah, der Kommunistischen Partei Chinas. Sie ließen den normalen Maoismus hinter sich und machten den entscheidenden Schritt, zumindest sahen sie das damals so.«
    »Und sie hatten Decknamen?«, fragte Annika.
    Er nickte und rührte in seiner Tasse.
    »Keine bürgerlichen Namen, sondern richtige Decknamen, Tiernamen. Margit wurde Bellender Hund genannt, was sie sehr gekränkt hat. Die anderen bekamen politische Namen, sie dagegen einen, der ihre Persönlichkeit charakterisieren sollte. Die Männer in der Gruppe fanden, dass sie zu viel in Frage stellte, zu oft debattierte und kritisierte.«
    Es war sehr still geworden in der Küche. Die Kälte hielt das Haus in einem eisernen Griff gefangen, und auf einmal roch es

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