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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Blomberg zuckte mit den Schultern.
    »Ja, ja«, sagte er und seufzte. »Alle falschen Autoritäten sterben früher oder später.«
    Er brachte den gestohlenen Wagen zum Stehen, zog die Handbremse und schaltete in den Leerlauf. Dann drehte er sich zu Annika um und sah sie ernst und nachdenklich an.
    »Der Drache hatte versprochen, eines Tages zurückzukommen, und ich wusste, dass er es ernst meinte. All die Jahre habe ich auf seine Rückkehr gewartet.
    Sicher, manchmal hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, aber am Ende habe ich doch noch gewonnen.«
    »Glauben Sie das wirklich?«, sagte Annika.
    Er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.
    »Jetzt gehen wir mal zu diesem Kasten«, sagte er, streckte sich über sie, öffnete die Beifahrertür und ließ die Hand auf ihrem Bauch liegen.
    Sie stemmte sich hinaus und warf rasch einen Blick zurück. Es war noch nicht so weit.
    Dann drehte sie sich zu dem Kasten um und zeigte darauf. »Da ist er.«
    »Machen Sie ihn auf.«
    Sie ging langsam und mit bleischweren Füßen darauf zu.
    Es wird nichts, dachte sie. Ich schaffe es nicht.
    Sie horchte und glaubte ein dumpfes Rauschen zu hören. Noch war es nicht so weit, aber bald.
    Sie griff nach dem Riegel, versuchte zu drehen, zog, nahm beide Hände, zerrte noch fester an ihm, stützte sich auf der Erde ab, stöhnte laut auf.
    »Ich bekomme ihn einfach nicht auf«, sagte sie und ließ los.
    Das Licht war inzwischen noch näher gekommen, und das Rauschen, das jetzt deutlicher zu hören war, vermischte sich mit dem entlegenen Donnern des Eisenhüttenwerks. Bald, bald, bald.
    Hans Blomberg trat gereizt zu ihr. »Gehen Sie zur Seite.«
    Er hielt die Pistole in der rechten Hand, griff mit der linken nach dem Riegel und drehte ihn nach oben. Die Tür sprang auf, und die Augen des Mannes weiteten sich, als er sich vorbeugte und in die Dunkelheit hineinstarrte. Annika schälte sich blitzschnell aus ihrer schweren Jacke und lief los.
    Sie stürzte sich auf die Schienen, rutschte auf den Schwellen aus, lief mit bleiernen Beinen weiter und schrie, ohne sich dessen bewusst zu sein.
    Eine Kugel sauste an ihrem linken Ohr vorbei, dann noch eine, und im nächsten Moment war sie in das grelle Scheinwerferlicht der Diesellokomotive gehüllt, sie rannte und warf sich vor den Eisenerzzug, stürzte wenige Meter vor der gigantischen Lokomotive über die Gleise, der Lokomotivführer zog das Warnsignal, aber es war zu spät, sie war schon vorbei und ließ sich auf der anderen Seite fallen, und die Lokomotive donnerte mit ihrer riesigen Last aus Waggons voller Eisenerz an ihr vorüber, sodass der Zug zu einer kilometerlangen Mauer aus Eisen zwischen ihr und Hans Blomberg wurde.
    Dann stand sie auf und lief immer weiter auf das Donnern zu, auf die leuchtend roten Augen, die hoch oben am Hochofen Zwei schwebten, sie kletterte einen steilen Hang hinauf und über eine Kohlenhalde, Messer schnitten ihr in die Luftröhre, aber schließlich breitete sich unter ihr der Wendeplatz aus, und in der Ferne leuchtete das Schild:
    Westliche Wache.

DIENSTAG, 24. NOVEMBER
    Thomas legte die Abendzeitungen auf den Schreibtisch. Als er anschließend seinen Mantel an der Rückseite der Tür aufhängte, sah er über die Schulter hinweg auf die Tischplatte. Annikas ernstes Gesicht blickte von der Titelseite des
Abendblatts
zu ihm hoch, es war ihr neuer Bildeinschlag nach der Nacht im Tunnel, ein Foto, auf dem sie älter und trauriger aussah als auf dem früheren.
    Reporterin des
Abendblatts
ließ Terrorgruppe auffliegen,
posaunte die Schlagzeile, und sein Puls ging schneller, als er sich setzte und mit dem Finger über ihr Gesicht strich. Seine Frau, die Mutter seiner Kinder, sie war einzigartig, und das fand nicht nur er.
    Er schlug die Zeitung auf. Die Artikel über Annikas Recherchen, die zur Entlarvung einer nordschwedischen Terrorzelle geführt hatten, füllten die Hälfte der heutigen Ausgabe.
    Die Seiten sechs und sieben zeigten ein in nächtlicher Dunkelheit gemachtes Luftbild vom Bottnischen Meerbusen, auf dem ein Mensch in einem hell erleuchteten Lichtkegel lief. Die Überschrift lautete:
    Terroristenjagd zur See – der Serienmörder wurde heute Nacht von Hubschraubern mit Wärmebildkameras aufgespürt.
    Ein langer Artikel berichtete, dass ein einzelner Mann aus Lulea in den letzten Wochen mindestens vier Menschen ermordet hatte. Die Journalistin Annika Bengtzon hatte in der Westlichen Wache des Eisenhüttenwerks Alarm geschlagen, woraufhin die Polizei den

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