Der Rote Wolf
ein ziemliches Durcheinander.«
»Er hat heute einiges an Post bekommen«, warf Hans Blomberg hinter Annikas Rücken ein. »Sind Sie die schon durchgegangen?«
Die Kriminalpolizisten sahen einander an, alle schüttelten den Kopf.
»Wo ist die Post?«, fragte Forsberg.
»Ich habe sie in sein Postfach gelegt, wie immer. Soll ich sie holen?«
Annika begleitete den Archivar zu den Postfächern. Das war ihr lieber, als in diesem Büro zu stehen und den Polizisten im Weg zu sein.
»Sie gehören nicht gerade zu Benny Eklands Fans«, sagte sie, während Hans Blomberg die Briefe an den Ermordeten heraussuchte.
»Das ist auch nicht nötig«, sagte der rundliche Mann. »Da gibt es schon genug andere. Sagen wir, ich habe ein etwas differenzierteres Bild von unserem Starreporter.«
Er ging wieder zur Treppe, und Annika folgte seiner fusseligen Jacke.
»Und wie sieht das aus?«
Es knarrte, als der Mann auf der nächsten Treppenstufe das Gewicht von einem Bein aufs andere verlagerte.
»Es spielte keine Rolle, welcher Mitarbeiter der Zeitung einen Tipp bekommen hatte; wenn an der Sache was dran war, hat sich immer Benny darum gekümmert. Er war abends immer der Letzte, um in den Artikeln anderer noch den einen oder anderen Satz zu ändern und auf die Art als Mitautor genannt zu werden.«
»Ein richtiger Wichtigtuer?«
»Ja, aber man muss zugeben, dass er wirklich einen guten Riecher für Sachen hatte«, sagte Hans Blomberg und blieb unvermittelt stehen. »Das muss man ihm lassen.«
»Annika Bengtzon?«, rief eine Stimme aus dem ersten Stock.
Sie ging ein paar Schritte zurück und schaute um die Ecke.
»Suup«, sagte ein magerer Herr mit grauen Haaren. »Wollen wir uns ein bisschen unterhalten?«
Sie ging auf den Mann zu, gab ihm die Hand und sah in Augen, die sie für Sekundenbruchteile an die eines Kindes erinnerten, so klar und durchsichtig waren sie.
»Ich habe versprochen, in ein paar Minuten mit dem Personal zu reden, aber das hier wird nicht lange dauern«, sagte er. Seine Falten verstärkten den Eindruck von Ausgeglichenheit und Rechtschaffenheit noch.
»Sie haben mich ganz schön neugierig gemacht«, erklärte Annika und folgte ihm in die Leserbriefabteilung, in der sie am Abend zuvor ihren Artikel geschrieben hatte.
Er ist nicht verbittert, schoss es ihr durch den Kopf. Er dient der Menschheit, wie es ihm richtig erscheint, und erhält dafür Respekt zurück und die Bestätigung, dass seine Werte korrekt sind. Er ist ein Mensch, der in sich ruht.
Sie zog dem Kommissar einen Stuhl heraus und setzte sich selbst auf die Schreibtischkante.
»Wir wissen es zu schätzen, dass Sie sich mit Ihren Informationen gestern an uns gewandt haben«, sagte der Mann mit gedämpfter Stimme. »Und ich muss zugeben, dass es uns auch erstaunt hat dass Sie Ihre Neuigkeit mit den Leuten hier geteilt haben. Die
Norrlands-Tidningen
erscheint hier oben immerhin lange vor dem
Abendblatt,
sodass Ihre Zeitung die Nachricht weder als erste noch als einzige gebracht hat.«
Annika lächelte und bemerkte, dass die Engel verstummt waren.
»Sie haben lange mit der Presse zusammengearbeitet. Das hört man«, sagte sie.
»Und deshalb habe ich mit Pettersson auf F21 über eine Information gesprochen, die uns bereits seit vielen Jahren vorliegt und deren Veröffentlichung wir seit geraumer Zeit diskutieren.«
Sie spürte, wie ihr das Adrenalin in die Adern schoss.
»Die Polizei hat viele Jahre einen Tatverdächtigen für den Anschlag auf F21 gehabt«, erklärte Suup leise. »Es handelt sich um einen damals jungen Mann, der Ende der sechziger Jahre aus dem Süden nach Lulea kam, ursprünglich jedoch aus dem Tornedal im Norden stammte. Er war Aktivist in zwei linken Splittergruppen und trug den Decknamen Ragnwald. Uns liegen zwei, drei Informationen zu seiner richtigen Identität vor, aber wir sind uns nicht ganz sicher, was diesen Punkt angeht.«
Annika blieb stumm und starrte den Polizeibeamten an. Diese Information war so sensationell, dass sich ihre Nackenhaare sträubten.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir Notizen mache?« »Ganz und gar nicht.«
Sie holte Block und Stift heraus und notierte die Worte des Kommissars hastig und derart zittrig, dass ihre Schrift fast unleserlich war.
»Warum steht ausgerechnet dieser Mann unter Verdacht?«, fragte sie.
»Ragnwald verschwand«, antwortete Suup. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass er nach Spanien ging und Mitglied der ETA wurde. Ein Vollblutterrorist, und der Anschlag auf
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