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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Notebook aus dem Gepäckfach und setzte sich fünf Reihen weiter nach vorn.
    Gestresst schrieb sie drei Artikel, bis das Fahrgestell der Maschine in Arlanda aufsetzte: Lulea am Tag nach der Nachricht vom Mord, die Trauer der Kollegen und der Ortstermin der Polizei mit dem Zeugen. Eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse und Fakten mussten die Jungs von der Abendschicht übernehmen. Die Informationen über Ragnwald und den Anschlag hielt sie erst einmal zurück, die liefen ihr nicht davon.
    Mit klopfendem Herzen eilte sie über den geklinkerten Fußboden von Terminal 4 und zur U-Bahn. Als sie im Arlanda-Express saß, rief sie Spiken an und brachte ihn auf den neuesten Stand der Dinge.
    Er stellte sie zu Bild-Pelle durch, und sie diskutierte mit ihm das Bildmaterial.
    Die frisch etablierte Zusammenarbeit mit der
Norrlands-Tidningen
bescherte dem
Abendblatt
freien Zugang zum gesamten Bildmaterial dieser Zeitung, sowohl zu neuen Fotos als auch zu Archivaufnahmen, weshalb man niemanden nach Lulea schicken und auch keinen freien Fotografen engagieren musste.
    »Das Bild des Jahres findet man ja nicht gerade unter diesen Fotos«, meinte der Bildredakteur, und Annika hörte, wie er auf seinem Mac wild in den übersandten Dateien hin und her klickte, »aber für die Zeitung von morgen reichen die Bilder allemal. Manche von ihnen sind scharf und haben eine hohe Auflösung.«
    Vom Hauptbahnhof zu ihrem Job als Mutter spazierte Annika mit offener Jacke.
    Der Wind war feucht und voller Gerüche, Erde und Laub und Abgase, das Gras war noch grün, und an vielen Ästen baumelten halb tote Blätter. Sie blickte in den rotgrauen und matten Himmel. Das Licht von Millionen Lampen bezwang den nordischen Herbstabend und ließ einen in der Illusion leben, dass die Wirklichkeit überschaubar und kontrollierbar war.
    In der Stadt kann man nie die Sterne sehen, dachte Annika.
    Ihr Sohn stürzte sich auf sie, als wäre sie ein halbes Jahr weg gewesen. Er legte seine klebrige Wange an ihre und schob die Hände in die Haare in ihrem Nacken.
    »Ich hab dich vermisst, Mama«, sagte er in ihr Ohr.
    Sie wiegte den Jungen auf ihrem Schoß, streichelte den harten kleinen Rücken, küsste seine Haare.
    Hand in Hand gingen sie anschließend zu Ellens Kindergarten, bis der Junge sich losriss und die letzten zehn Meter zum Eingang rannte, um dort mit leuchtenden Augen Lennart und Helena zu begrüßen, die sich gerade auf den Heimweg machten.
    Ellen war müde und distanziert, als Annika zu ihr kam. Sie wollte nicht nach Hause und sich auch nicht umarmen lassen.
    Viel lieber wollte sie weiter Sachen ausschneiden und von ihrem Papa abgeholt werden.
    Annika musste die Zähne zusammenbeißen, damit ihr nicht der Kragen platzte, und sie spürte, dass sie mit ihrer Geduld am Ende war.
    »Ellen«, sagte sie laut, »Kalle und ich gehen jetzt.«
    Das Mädchen erstarrte, sein Gesicht verzerrte sich, die Augen wurden aufgerissen, und ein verzweifelter Laut drang aus ihrer Kehle.
    »Der Schneeanzug«, schrie das Kind, »ich hab meinen Schneeanzug nicht an.«
    Sie ließ die Schere fallen und lief zu dem Platz, an dem ihr Anzug hing. Uber dem Kleiderhaken war ein Foto, das sie vor dem Wochenendhaus ihrer Großeltern auf Gällnö zeigte. Sie suchte verzweifelt zwischen den Kleidern und versuchte sich dann den Overall verkehrt herum anzuziehen.
    Annika spürte vorwurfsvolle Blicke von zwei anderen Müttern im Korridor.
    »Ach, nun komm schon«, sagte sie und ging zu ihrer Tochter. »Ich helfe dir, aber dann musst du auch aufhören zu schmollen.«
    Auf dem Heimweg wurde Ellen noch von Zeit zu Zeit von einem kurzen Schluchzen geschüttelt.
    »Mit Papa dürfen wir immer Bus fahren«, meinte Kalle, als sie dicht gedrängt auf einer Verkehrsinsel an der Ampel in der Kungsholmsgatan standen.
    »In den Bussen ist es so eng und heiß«, sagte Annika und spürte, dass sich ihr beim bloßen Gedanken an einen überfüllten Bus bereits die Kehle zuschnürte.
    Ab der Bergsgatan trug sie Ellen nach Hause. Anschließend machte sie schnell ein Feuer im Kachelofen, um die Kälte zu vertreiben, die durch die undichten Fenster in die Wohnung zog, und lief mit den stinkenden Abfalltüten in den Hinterhof hinunter. Ihre Hände und Beine bewegten sich mechanisch. Dann setzte sie den Reis auf, packte gleichzeitig das Notebook aus der Tasche, schaltete es ein, zog die Telefonschnur zum Telefon in der Küche heraus und legte den Dorsch zum Auftauen in die Mikrowelle.
    »Dürfen wir Computer

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