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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Konferenztisch.
    »Ich möchte doch nur, dass Sie darüber nachdenken, ob gerade Sie nicht vielleicht noch andere Motive haben, sich ganz besonders für diese Dinge zu interessieren.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    Schyman seufzte erneut und spielte zerstreut mit den Papierrollen, in denen sich die Analysen der Aushänger verbargen.
    »Wollen Sie mir etwa unterstellen, dass ich mich mit den Terroristen identifiziere? Führt die Tatsache, dass ich selbst einen Menschen getötet habe, dazu, dass mein Gehirn zwanghaft Mörder sieht, wo es überhaupt keine gibt?
    Oder denken Sie an den Tunnel, das Dynamit, in das mich diese Bombenlegerin gewickelt hat? Bin ich dadurch so verrückt geworden, dass ich hinter jedem Busch eine Bombenlegerin vermute, sehen Sie es so?«
    Anders Schyman hob beide Hände zu einer beschwichtigenden Geste.
    »Annika«, sagte er, »ich weiß nicht, ich kann nur sagen, dass diese Geschichte sehr merkwürdig ist, ich kann keinen Artikel über irgendeinen verdammten Ragnwald bringen, der vielleicht tot und begraben ist oder in Moskosel Johannisbeeren anbaut oder Rettungstaucher ist oder was auch immer, es geht hier um schwerwiegende, sehr ernste Anschuldigungen.«
    »Ragnwald ist nur ein Deckname, er wird also nicht an den Pranger gestellt.«
    »Vielleicht ist er ja als Ragnwald bekannter als unter seinem richtigen Namen, das wissen wir doch gar nicht, oder doch?«
    Sie antwortete nicht, ihre Kiefer mahlten, und sie starrte die Gardine an.
    »Außerdem sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, dass Ihre Artikelidee nicht sonderlich glaubwürdig ist«, fuhr er fort. »Die ländlichen Regionen Schwedens sind nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie Terroristen hervorbringen.«
    Sie sah ihn verblüfft an.
    »Machen Sie Witze?«, sagte sie. »Oder haben Sie bloß keine Ahnung? Die Briefbombe wurde von einem Mann aus Töreboda erfunden und explodierte im August 1904 in den Händen von Direktor Lundin in der Hamngatan.«
    »Wissen Sie«, sagte er, und schon der Klang seiner Stimme verriet sein Bemühen, einen verbindlichen Ton anzuschlagen, »für unsere Zeitung läuft es im Moment wie geschmiert. In dieser Situation dürfen wir die Glaubwürdigkeit, die wir bei unseren Lesern zurückgewonnen haben, nicht durch schwammige Terrorismusanschuldigungen gefährden.«
    Jetzt war sie mit einem Satz auf den Beinen.
    »Glaubwürdigkeit? Denken Sie wirklich, die Leute würden unsere Zeitung wegen der seriösen und aufs Wesentliche bedachten Berichterstattung kaufen?«
    Sie lachte kurz und gezwungen auf.
    »Letzte Woche hatten wir drei Tage hintereinander Anna Nicole Smith auf unseren Aushängern«, sagte sie. »Am Samstag war es ein Typ, der in irgendeiner Doku-Soap onaniert hat. Sonntags gab die Kronprinzessin ihrem Freund ein Küsschen. Was soll das? Begreifen Sie nicht, was Sie aus dieser Zeitung gemacht haben? Belügen Sie etwa auch sich selbst?«
    Sie sah, dass er am liebsten explodiert wäre, sich jedoch dagegen entschied.
    »Ich dachte, die Erfolge unserer Zeitung würden Sie freuen«, sagte er mit etwas belegter Stimme.
    »Mit Verkaufssignalen auf Titelseite und Aushänger arbeiten, so nennen Sie das doch, oder? Wissen Sie, wie ich das nenne? Auf Schlüpfriges und Scheiße setzen.«
    »Wir sind nun mal eine Abendzeitung. Wir müssen plakativere Boulevardthemen aufgreifen als die Tageszeitungen. Möchten Sie nicht auch, dass wir Marktführer werden?«
    »Nicht um jeden Preis. Ich finde es traurig, dass Sie keine Qualitätsansprüche mehr an diese Zeitung stellen.«
    Sie wunderte sich darüber, wie sehr ihn ihre Worte aufzuwühlen schienen.
    »Das ist nicht wahr«, erklärte er äußerst beherrscht. »Wir stehen in unserer Zeitung nach wie vor für gesellschaftlich relevanten und sorgfältig recherchierenden Journalismus, das wissen Sie sehr genau. Ich finde, Sie sollten einen etwas weiteren Horizont haben als unsere Vulgärkritiker und gerecht bleiben.«
    »Aber das hindert mich doch hoffentlich nicht daran, die Entwicklung des Journalismus zu kritisieren. Die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion werden verwischt. Wir und die anderen Boulevardblätter schreiben über Doku-Soaps, als wären sie das Wichtigste und Relevanteste, was es im Moment gibt.
    Das kann doch beim besten Willen nicht die ganze Wahrheit sein.«
    »Sie vergessen Kain und Abel«, sagte Schyman und versuchte zu lächeln.
    »Was ist mit ihnen?«
    Annika verschränkte abwartend die Arme vor der Brust.
    »Gesehen zu werden ist

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