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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Kehle zu.
    Oh, mein Gott, was hatte er nur getan?
    Was sollte er machen, wenn sie es herausfand, wenn sie es merkte, wenn sie es bereits wusste?
    Hatte jemand etwas gesehen? Hatte sie jemanden angerufen? Hatte vielleicht irgendwer der Zeitung einen Tipp gegeben?
    Er atmete stockend und schwer und zwang sich, nicht in Panik zu geraten. Der Zeitung einen Tipp geben? Warum zum Teufel sollte jemand der Zeitung einen Tipp geben? Er war dabei, die Kontrolle zu verlieren.
    Nach einer Weile gelang es ihm, sich wieder aufzurichten, und er sah von neuem zu den Fenstern hinauf. Jetzt löschte sie das Licht im Wohnzimmer, wahrscheinlich wollte sie ins Bett.
    Vielleicht weiß sie ja, dass ich komme, dachte er. Vielleicht versucht sie mir vorzugaukeln, sie würde nichts ahnen, obwohl sie in Wahrheit längst alles weiß.
    Vielleicht stellt sie sich schlafend, wenn ich reinkomme, und tötet mich dann im Schlaf.
    Und er sah sie mit Haaren aus Feuer und einem Eisenrohr vor sich, das sie mit beiden Händen umfasst und zum Schlag erhoben hatte.
    Als er die Tür aufschloss, hätte er am liebsten geheult und wusste nicht, wie er es schaffen sollte, ihr ins Gesicht zu sehen. Mit leisen Schritten stieg er die Treppen hinauf und blieb vor der Wohnungstür stehen, vor den hohen Doppeltüren mit den farbigen Glasflächen, die Annika so schön fand.
    Mit den Schlüsseln in der Hand stand er da, zitterte und sah mit fremdem Blick die Türen an, bis seine Atmung sich halbwegs beruhigt hatte und er sich wieder bewegen konnte.
    Im Flur war es dunkel.
    Er schob sich hinein und schloss die schwere Tür vorsichtig hinter sich.
    »Thomasch?«
    Annika lugte aus dem Badezimmer heraus und nahm die Zahnbürste aus dem Mund. »Wie ist es gelaufen?«
    Er sackte auf der Bank im Flur in sich zusammen und fühlte sich vollkommen leer.
    »Eine grauenhafte Besprechung. Alle stehen unter Schock.«
    Sie verschwand wieder im Badezimmer, und er hörte, dass sie sich den Mund ausspülte. Unmittelbar darauf kam sie in einem schwarzen Tangaslip aus dem Badezimmer, dessen Dreieck ihr Geschlecht bedeckte, ihre großen Brüste wippten hin und her.
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie, setzte sich neben ihn und legte ihre Hand in seinen Nacken. »Aber ich glaube nicht, dass sein Tod etwas mit seinem politischen Engagement zu tun hat. Ich bin mir eigentlich fast sicher, dass ihr aufatmen könnt.«
    Er sah zu ihr auf, spürte ihre Brust an seinem Arm und merkte, dass ihm Tränen in den Augen standen. »Woher willst du das wissen?«
    »Im Moment weiß im Grunde niemand etwas Genaues«, erklärte sie, »aber es steckt etwas Größeres dahinter als der Gemeinderat von Osthammar.«
    Sie küsste ihn auf die Wange, strich über den Ärmel seines Mantels und stand auf.
    »Ich bin total überdreht, ich habe heute Abend bestimmt 200 Liter Kaffee getrunken.«
    Er seufzte schwer.
    »Ich auch«, meinte er.
    »Du riechst aber auch nach Rauch und Alkohol«, sagte sie auf dem Weg ins Schlafzimmer über die Schulter hinweg.
    »Das will ich auch hoffen«, erwiderte er, »denn die Rechnung bezahlt der Steuerzahler.«
    Sie lachte ein wenig wehmütig.
    »Kommst du?«, rief sie.
    Ich schaffe das, dachte er. Ich werde das schon schaffen.

DIENSTAG, 17. NOVEMBER
    Die leuchtend gelben Aushänger an den Zeitungskiosken verkündeten in der ganzen Fleminggatan ihre Botschaft vom Serienmörder und der Jagd der Polizei auf ihn. Annika sah sie flüchtig vom Busfenster aus und wurde wie immer von der eigentümlichen Faszination erfasst, etwas in die Welt gesetzt zu haben, das nun ein Eigenleben bekommen hatte. Ihre Artikel erreichten Hunderttausende von Menschen, denen sie niemals begegnen würde, und ihre Worte würden Gefühle und Reaktionen auslösen, von denen sie nie etwas erfuhr.
    Als sie nach der kurzen Busfahrt das Foyer des Zeitungsgebäudes betrat, war dort wie jeden Morgen eine ganze Wand mit dem Aushänger des Tages tapeziert.
    In der Redaktion hatte sich das Klima spürbar verändert, als Annika sich durch das Menschenmeer bewegte. Ihr gesenkter Kopf wurde von fast warmen Blicken getroffen, wo sie sonst nur Eiszapfen wahrnahm. Sie dominierte die heutige Zeitung. Sie war zurück, war wieder jemand, mit dem man rechnen musste. Die alten Geschichten waren vergeben und vergessen, denn jetzt standen neue Storys an, noch neunzehn Stunden bis Redaktionsschluss, und sie hatte den Bildeinschlag auf Seite sechs.
    Sie kehrte den einschmeichelnden Blicken den Rücken zu und zog die Glastür zu

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