Der Rote Wolf
ihrem Büro mit einem Knall hinter sich zu.
Göran Nilsson, dachte sie, warf ihren Mantel ab und runzelte die Stirn, um die Müdigkeit zu vertreiben. Geboren 1948 in Sattajärvi, seit 1969 emigriert.
Profikiller.
Es hatte keinen Sinn, ihn im staatlichen Personen- und Adressenregister zu suchen. Er war schon vor Jahrzehnten aus allen Verzeichnissen gestrichen worden.
Ihre Finger trommelten gereizt, während Millionen schwerfälliger Programme in ihrem Computer hochgefahren wurden, dann startete sie eine Google-Suche zu »göran nilsson« und bekam Hunderte von Treffern.
Es schien unendlich viele Göran Nilssons auf der Welt zu geben, einen Universitätsdozenten in Bautechnik, einen Forscher in Psychologie, einen Produzenten von Holzfischen, ein Gemeinderatsmitglied in Karlstad, einen Ökobauern in Hailand, einen Stadtdirektor in Norrköping, aber keiner von ihnen war ihr Göran Nilsson, denn der war ausgeflippt. Von allen Wahlmöglichkeiten, die einem Menschen in seinem Leben offen standen, hatte ihr Göran Nilsson sich dafür entschieden, anderen Menschen den Tod zu bringen.
Sie blätterte weiter.
In den vierziger und fünfziger Jahren schien Göran als Teil eines Doppelnamens beliebt gewesen zu sein, denn es gab Stig-Göran und Lars-Göran und Ulf-Göran und Sven-Göran und jede Menge anderer Kombinationen.
Anstatt sich damit weiter aufzuhalten, ging sie zur Homepage der Gelben Seiten, um zu schauen, wie häufig die Namenskombination war, und machte Stichproben in verschiedenen Regionen.
Allein in der Provinz Blekinge gab es 73, in Boras 55, in Stockholm 205 und in Norrbotten 46. Im ganzen Land mit anderen Worten mehrere tausend. Sie musste ihre Suche mit Hilfe eines Stichworts eingrenzen.
Göran nilsson sattajärvi.
Kein Treffer.
Die Briefe, dachte sie. Der Maoismus oder eine linke Splittergruppe.
Doch das brachte auch nicht viel, außer Treffern vom Typ Kristina
Nilsson, Mao
Tse-tung,
Göran
Andersson in der gleichen Quelle.
Stattdessen suchte sie nach Bildern unter der Eingabe »göran nilsson mao«.
Vier Treffer, kleine Vierecke auf dem Bildschirm, und sie musste sich vorbeugen, um sie zu betrachten. Zwei waren Logos für etwas, das sie nicht näher untersuchte, das dritte war ein kulturrevolutionäres Porträt des großen Vorsitzenden auf einer privaten Homepage und das vierte Bild schließlich eine Schwarzweißaufnahme von einigen Jugendlichen in zeittypischem Aufzug. Sie schaute noch genauer hin und las die Bildbeschreibung 022.jpg, 501 x 400 pixels – 41k, homepage/userbell/rebelhistory035.htm. Sie klickte den Link an, landete auf einer Homepage, die jemand über seine eigenen Sturm- und Drang-Jahre in Uppsala zusammengestellt hatte, und fand einen Text, der erläuterte, in welchem Zusammenhang das Bild entstanden war.
Nach der Ratifizierung des grundlegenden Manifests vom 9. April waren Mats Andersson, Fredrik Svensson, Hans Larsson und Göran Nilsson bereit, im Namen des Meisters Mao begeistert die Massen zu mobilisieren.
Sie las sich den Text zwei Mal durch und wunderte sich über die etwas lächerliche Religiosität, die in ihm mitschwang. Anschließend starrte sie den jungen Mann am rechten Bildrand an. Seine Schulter war hinter einem Genossen verborgen. Sie sah einen jungen Mann mit kurzen Haaren und zarten Gesichtszügen, der relativ klein zu sein schien. Er hatte dunkle Augen, die starr auf einen Punkt links vom Fotografen gerichtet waren.
Sie klickte zur Startseite der Homepage und stellte fest, dass es noch zahlreiche andere Bilder aus Uppsala auf dem Server gab. Einige von ihnen waren bei diversen Demonstrationen aufgenommen worden, die meisten jedoch auf Festen.
Sie sah sich jedes einzelne Foto an, aber der junge Mann namens Göran Nilsson war auf keinem anderen Bild mehr zu sehen.
Ob er das wirklich war? War er in den sechziger Jahren tatsächlich ein öffentlich in Erscheinung tretender Aktivist gewesen? Wenn dem so war, bestand immerhin die Möglichkeit, dass er in verschiedenen Quellen aufzufinden war. Medienarchive aus jener Zeit waren allerdings nie digital verfügbar, sondern nur in Form von Bildern und Zeitungsausschnitten. Ihre eigene Zeitung verfügte über das größte Archiv dieser Art im ganzen Land. Sie griff nach dem Telefonhörer und bat die Archivare nachzuschauen, ob es Ende der sechziger Jahre in maoistischen Kreisen einen Göran Nilsson gab.
Die Frau, die ihre Anfrage entgegennahm, klang nicht sonderlich begeistert.
»Wann brauchen Sie die Antwort?«
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