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Der rote Würfel

Der rote Würfel

Titel: Der rote Würfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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Boden des Lake Mead nach meiner Leiche absuchen? Außerdem frage ich mich, ob der General damit rechnet, daß ich Joel befreien will. Wohl kaum.
Andys Haus liegt am Ende einer ruhigen Sackgasse. Weil wir hier in Las Vegas sind, gibt es natürlich einen Pool nach hinten heraus. Ich lasse meinen Jeep in einer Nebenstraße, klettere aufs Grundstück und knacke das Schloß an der Hintertür. Drinnen ist es kühl: Er hat die Klima-Anlage angelassen. Ich mache die Tür wieder zu und bleibe einen Moment lang einfach nur stehen. Ich rieche etwas. Eine ganze Reihe von Düften dringt an meine Nase. Sie verraten mir eine Menge über den Mann, obwohl wir uns ja eigentlich noch gar nicht kennengelernt haben.
Nach Fleisch riecht es nicht; er ist Vegetarier. Rauchen tut er auch nicht, aber trinken sehr wohl. Ich rieche und sehe Spirituosenflaschen in einer Vitrine aus Walnußholz. Eau de Cologne benutzt er nicht, doch durchzieht ein schwacher Geruch von Kosmetika die Wohnung. Unser guter Mister Andrew Kane kämpft gegen das Älterwerden.
Er ist Junggeselle. Es hängen weder Bilder von einer Frau noch von Kindern an der Wand. Ich trete in die Küche. Meistens geht er aus essen; im Kühlschrank stehen nur wenige Lebensmittel. Ich blättere durch ein paar Rechnungen, die auf dem Küchentisch liegen. Dort finde ich auch einige Briefumschläge von seiner Bank. Er hat seinen Dispokredit bei drei Kreditkartenfirmen überzogen.
Ich gehe in einen Raum, den er als Arbeitszimmer benutzt.
Und falle hier beinahe in Ohnmacht.
Auf seinem Schreibtisch steht als schwarz-weiß-rotes Plastikmodell die Doppelhelix einer DNS. Das ist es aber gar nicht, was mich so umhaut. Gleich daneben steht ein weit komplexeres Modell einer anderen Art DNS, und zwar eins, das statt zweien zwölf Stränge mit kodierten Informationen aufweist. Zum ersten Mal sehe ich so etwas nicht. Vor siebenhundert Jahren hat der große italienische Alchimist Arturo Evola ein ähnliches Modell entworfen, nachdem er sechs Monate mit mir zusammengelebt hatte.
»Das ist doch unmöglich!« bringe ich nur hervor.
Andrew Kane ist dabei, die DNS der Vampire zu entschlüsseln.
    4.
KAPITEL
    Das Italien des dreizehnten Jahrhunderts vereinigte alles, was das Mittelalter je an Schönem und an Schrecklichem hervorgebracht hat. Die höchste Gewalt lag in der Hand der katholischen Kirche. Monarchen kamen und gingen. Könige und Königinnen kämpften und starben. Aber die wirkliche Macht über Leben und Tod übte der Papst in Rom aus.
    Die Kunst war in jenen Tagen das Geschenk der Kirche an die Menschen. Das war etwas, was über dem Geschenk ihrer strengen Religionslehre stand. Die tat für die Masse des Volkes überhaupt nichts, außer sie bis an ihren Todestag in Verwirrung zu halten. Das sage ich mit berechtigter Verbitterung. Zu jener Zeit konnte man überhaupt nicht leben, ohne Wut auf die Kirche zu haben. Heute finde ich, daß die Kirche viel Gutes tut – allerdings auch viel Fragwürdiges. Wenn man sich lange genug damit beschäftigt hat, findet man gar keine Religion mehr perfekt.
    Von 1212 bis 1245 lebte ich in Florenz und verbrachte Monate damit, mir die Kirchen anzuschauen, in denen die großartigsten Gemälde und Skulpturen ausgestellt waren. Die Renaissance lag natürlich noch in weiter Ferne, und Michelangelo und Da Vinci waren noch nicht geboren. Immerhin jedoch waren diese frühen Jahre herausragend in ihrer Schöpferkraft. Ich kann mich noch gut an Bonaventura Berlinghieris leuchtendes St. Francis erinnern und an Niccolo Pisanos berauschende Verkündigung an die Hirten.
    Die Inquisition war auch noch so ein Geschenk der Kirche. Sozusagen die Gnade des Teufels, jedenfalls für die meisten Leute der damaligen Zeit. Alles, was man benötigte, um jemanden als Ketzer anzuklagen, waren zwei Informanten, deren Identität dem Opfer noch nicht einmal bekanntgegeben werden mußte. Die Informanten konnten sogar selber Ketzer oder Hexen sein, beides keine angenehmen Auszeichnungen im Italien jener Zeit. Um jemanden der Ketzerei zu überführen, war zwar ein Geständnis vonnöten, aber eine kleine Behandlung auf dem Streckbett oder mit glühenden Kohlen oder die Tortur mit der strappado – der gefürchteten Folterbank – reichte für gewöhnlich aus, einen Unschuldigen zum Geständnis zu bewegen. Einmal ging ich in die Stadt, um zuzuschauen, wie die Opfer bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Ich mußte zurückdenken an die Barbarei der römischen Kaiser, der

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