Der rote Würfel
unterhielten wir uns über Astronomie, für mich ein Thema auf halbem Weg zur Alchemie. Er war begeistert davon, wieviel ich über den Sternenhimmel wußte.
Er lud mich zum Essen bei sich ein, und anschließend spazierten wir durch die Stadt. Als wir uns an jenem Abend voneinander verabschiedeten, wußte ich, daß er in mich verliebt war.
Warum ich auf ihn aus war? Aus dem gleichen Grund, aus dem ich vieles in meinem Leben getan habe – aus Neugier. Aber die lenkte mich nur am Anfang. Bald war nämlich auch ich in ihn verliebt. Und dieses Gefühl für ihn empfand ich bereits, bevor ich seine Kenntnisse in der Alchemie auf eine Probe stellte. Schon bevor ich tiefer in seine geheime Welt eindrang, war mir klar, daß er anders war als die Priester seiner Zeit. Er war Jungfrau, und sein Zölibatsgelübde bedeutete ihm sehr viel.
Ich habe ihn nicht einfach plötzlich mit den Fragen konfrontiert. Kannst du aus Kupfer Gold machen? Kannst du Lepra heilen? Kannst du dich unsterblich machen? Ich ließ ihn zuerst einen Funken meines Wissens erkennen, um ihn so zu inspirieren, mich an seinem teilhaben zu lassen. Ich weiß sehr viel über die heilenden Kräfte von Kräutern. Ein alter Mönch in Arturos Kloster bekam Lungenentzündung, und es hatte allen Anschein, daß er daran sterben würde. Ich brachte Arturo ein Gebräu aus Sonnenhut und Goldwurzel und bat ihn, es seinem Vater Superior zu geben. Der Mönch erholte sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden, und Arturo wollte erfahren, wer mir beigebracht hatte, Kräuter zu mischen.
Ich lachte und erzählte ihm von meinem griechischen Freund, von Cleo. Allerdings verriet ich ihm nicht, daß Cleo bereits vier Jahrhunderte tot war. Arturo war beeindruckt. Erst danach erzählte er hier und da etwas von seinen Kristallen und Magneten und Kupferplatten – den geheimen Elementen der Alchemie, die die Wissenschaft heute vergessen hat. Am selben Tag vertraute mir Arturo die Mission seines Lebens an. Die Elixiere der Heiligkeit und Unsterblichkeit zu entdecken – als wenn die Suche nach einem dieser Zustände allein nicht schon ausreichend gewesen wäre. Arturo dachte immer in großem Stil. Er war zu nichts weniger entschlossen, als das Blut Jesu Christi zu reproduzieren.
»Wie kommst du darauf, so etwas jemals schaffen zu können?« fragte ich schockiert.
Seine Augen glänzten, während er es mir darlegte. Nicht der Glanz des Verrückten, sondern ein Glanz, wie ich ihn weder zuvor noch danach je bei einem Sterblichen gesehen habe.
»Weil ich den Geist des Menschen entdeckt habe«, sagte er. »Ich habe den Beweis, daß er existiert. Ich bin imstande, dir zu zeigen, wie man ihn erfährt, wie man den Schleier der Dunkelheit entfernt, der ihn verhüllt.«
Das klang spannend. Arturo nahm mich mit in ein Geheimzimmer unter dem Kloster, in dem er lebte. Offensichtlich wußte der ältere Mönch, dem ich das Leben gerettet hatte, von Arturos Hobby, und drückte ein Auge zu. Außer der Zigeunerin war er der einzige Mensch, der etwas von dem Meister der Alchemie wußte. Ich fragte Arturo nach ihr. Es war so, daß sie ihn gesundgepflegt hatte, als er einmal bei einem Ausritt auf dem Land vom Pferd gefallen war. Sie hatten bei abendlichem Kaminfeuer viele persönliche Unterhaltungen geführt. Arturo war überrascht und auch ein wenig wütend, daß sie mir von ihm erzählt hatte.
»Es ist nicht ihre Schuld«, erklärte ich ihm. »Ich bin ziemlich gut im Überreden.« Tatsache war, daß ich die Macht meiner Augen bei ihr eingesetzt hatte, als ich spürte, daß sie etwas Wichtiges verbarg.
Arturo begleitete mich hinab in sein Geheimzimmer und zündete eine Menge Kerzen an. Er bat mich, mich auf eine riesige Kupferplatte zu legen, die so dünn wie modernes Papier war. Auf angrenzenden Regalen sah ich seine Sammlung von Quarzkristallen, Amethysten und anderen Edelsteinen – Rubine, Diamanten und Saphire. Er besaß außerdem eine Reihe kraftvoller Magneten, jeder in Form eines Kreuzes geschnitten. Ein magnetisches Kreuz hatte ich noch nie gesehen.
»Was hast du vor?« fragte ich ihn, während ich auf der Kupferplatte Platz nahm.
»Hast du schon einmal von der menschlichen Aura gehört?« fragte er.
»Ja. Das ist das Energiefeld, das den Körper umgibt.«
»Ausgezeichnet. Die antike Mythologie erwähnt sie, und in der Kunst ist sie gegenwärtig. Auf Gemälden der Heiligen Familie wird sie als Heiligenschein über dem Kopf dargestellt. Die meisten Menschen glauben aber nicht an eine Aura, weil sie sie
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