Der rote Würfel
Sie entfache.«
17.
KAPITEL
Zehn Minuten später öffnet der ranghöchste Offizier draußen die Türe, und wir rollen einen einsatzbereiten Sprengkopf durch die kühle Nachtluft. Am Zünder hört man die Zeituhr ticken. Fünfzehn Minuten bis zum Jüngsten Gericht. Wenn wir allesamt mit vollem Tempo hier wegfahren, müßte es gerade noch reichen, der Explosion zu entgehen. Der Vollmond schimmert auf uns herab und taucht die ganze Wüste in ein milchig weißes Licht. Der Schauplatz wirkt so gespenstisch, als hätte sich hier bereits vor tausend Jahren eine atomare Explosion ereignet.
Eine kleine Armee richtet ihre Waffen auf uns.
Wir sind von allen Seiten umzingelt, von den Wachtürmen bis zu den Felsen auf der Anhöhe.
Vor einer Minute hat ihnen ein nuschelnder General befohlen, uns laufenzulassen. Aber sie hören nicht auf ihn. Der ranghöchste Befehlshaber dort draußen ist nun Arturo.
Als wir aus der Höhle kommen, tritt er vor.
»Sita«, sagt er, »das ist doch Wahnsinn!«
»Du mußt mir gerade von Wahnsinn sprechen, Arturo.« Ich halte eine Pistole auf den Kopf von General Havor gerichtet und schirme mich und Joel mit seinem schwankenden Körper ab. Als ich ihm meinen magischen Blick ins Gehirn gebohrt habe, sind ihm die Tränen gekommen, doch er hat mir standgehalten. Ich mußte den größten Teil seines Gehirns zerstören, um das von ihm zu bekommen, was ich wollte. Ich deute auf die Bombe und füge hinzu: »Dieser Sprengkopf geht in weniger als fünfzehn Minuten hoch. Fast jetzt schon zu knapp für dich und deine Männer, hier noch wegzukommen.«
Arturo schüttelt den Kopf. »Wir können dich nicht entkommen lassen. Wir haben einen Befehl vom Präsidenten der Vereinigten Staaten bekommen. Du mußt unter allen Umständen aufgehalten werden.« Er zeigt auf die Männer um uns herum. »Wir sind austauschbar.«
Ich ringe mir ein Kichern ab. «Du wirst doch all diese Männer hier nicht opfern wollen«
»Das ist nicht meine Entscheidung.«
»Blödsinn! Für sie bist du doch jetzt hier der Befehlshaber. Befehl ihnen, die Waffen fallen zu lassen, und macht, daß ihr hier wegkommt.« Ich verstumme für einen Augenblick, füge dann hinzu: »Du bluffst nur.«
Arturo schaut mir in die Augen. Eingeschüchtert von meinem Blick ist er nicht.
»Ich bete nur, daß du es bist, die hier blufft«, sagt er leise.
Der Zeitzünder steht auf vierzehn Minuten.
Ich halte seinem Blick stand. »Wann hast du denn zum letztenmal gebetet, Arturo? Vielleicht vor der Inquisitionsverhandlung? Am Tag, bevor sie dich gehängt haben? Was ich damals getan habe, habe ich getan, weil ich die Gefahr erkannte, die mein Blut für diese Welt darstellt. Auch heute nacht hab ich all diese Leute aus dem gleichen Grund umgebracht, – um die Menschheit zu schützen.«
Arturo stellt sich dem Duell. »Uns zu schützen? Vor was denn? Vor der Chance, uns zu etwas Größerem zu entwickeln? Zu Lebewesen, die niemals älter werden, die nie einem anderen etwas zuleide zu tun brauchen? Früher hast du meine Mission belächelt. Aber meine Suche ist noch immer die edelste auf der ganzen Welt: Der Wunsch, die Menschheit in einen perfekten Zustand zu erheben, ihr zu erlauben, auf den Stand Gottes zu gelangen.«
»Man gelangt nicht auf den Stand Gottes, indem man sich mit einem Monster vermischt!«
Er ist überrascht. »Du bist doch kein Monster, Sita.«
»Und auch kein Engel. Oder höchstens ein Todesengel – jedenfalls, was die Menschheit angeht. Es ist wahr: Ich habe ein Recht auf ewiges Leben. Krishna hat mit dieses Recht gewährt. Aber nur unter der Voraussetzung, daß ich allein bleibe und nicht mehr von meiner Sorte in die Welt setze. Nun habe ich diesen heiligen Schwur gebrochen. Krishna wird mich dafür wohl hart verurteilen. Vielleicht hat er das ja sogar schon, und ich muß deshalb hier all diese Leute und mich selbst quälen. Aber was geschehen ist, ist geschehen. Ich bin, was ich bin. Die Menschheit ist, was sie ist. Wir kommen niemals zusammen. Verstehst du das denn nicht?«
»Verstehst du denn nicht, wer ich bin, Sita? Ich bin ein Beispiel dafür, was durch eine Fusion mit unserer DNS erreicht werden kann. Und ich bin ja nur ein unvollständiges Beispiel, weil ich den Prozeß nie abschließen konnte. Stell dir doch nur einmal vor, wohin sich die Menschheit entwickeln kann, wenn du mich nur ein paar Wochen mit deinem Blut experimentieren läßt. Selbst ein paar Tage würden schon reichen. Das ist alles, worum ich dich bitte. Wenn ich fertig bin, lasse
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