Der Rubin der Oger
der entfernt an gepökelten Fisch erinnerte, ging davon aus. Das lederartige Gebilde hatte sich in Falten gelegt und besaß in etwa die Größe eines Schaffelles. Im Schein der Fackel schimmerte es tiefviolett, fast schwarz. Mogda beugte sich hinunter und rieb mit einem Finger über die Oberfläche. Kleine, fast durchsichtige Schuppen lösten sich vom Rand und hinterließen eine mattschwarze Stelle. Er betastete das Vlies an einer anderen Stelle und zerrieb einige filzige Fasern zu einem Bündel dünner Strähnen. Dann breitete er die Arme aus und versuchte das Gebilde zu straffen. Barrasch wich erschrocken zurück und hielt sich die Hand vor den Mund.
»Was im Namen der Götter ist das?«, murmelte er.
Mogda trat einen Schritt zurück und betrachtete das Gebilde im Ganzen.
»Sieht aus wie ein getrockneter Teudraeda, nur kleiner.«
»Glaubst du, das ist einer der Angreifer?«, fragte Barrasch.
»Du meinst, wir haben ihn zu Tode gehetzt, und er ist hier verdurstet? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
Auch Cindiel betrachtete den ungewöhnlichen Fund. Mit einem Messer begann sie an dem flachen Balg herumzuschneiden. Sie löste die angeklebten Arme vom Rumpf und versuchte etwas aus den Zügen des Gesichtes zu erkennen. Angeekelt wendete sie sich wieder ab.
»Das ist irgendein Fischwesen, aber so etwas habe ich noch nie gesehen«, gab sie zu. »Vielleicht eine Art von niederem Nesselschrecken.«
Finnegan kam langsam wieder zu sich. Er brabbelte einige unverständliche Worte und bewegte die Arme. Barrasch half ihm, sich aufzusetzen, und Cindiel flößte ihm ein wenig Wasser ein. Der junge Soldat litt offenbar unter Orientierungsschwierigkeiten, die jedoch schnell verflogen, als Barrasch ihm eine sanfte Ohrfeige verpasste.
»Junge, wir brauchen dich, also reiß dich zusammen«, flüsterte er.
Mogda beobachtete die Fürsorge um den Jungen mit gemischten Gefühlen. Einerseits wollte er so schnell wie möglich den Angreifern folgen, andererseits konnte er niemanden in den Kampf schicken, der völlig neben sich stand. Cindiels sorgenvolle Miene und ihr stetiges Bemühen um Finnegan ließen ihn schließlich abwarten. Er spürte, dass sie sich um den jungen Soldaten sorgte, mehr als um einen Fremden.
Nachdem Finnegan ohne fremde Hilfe auf die Beine gekommen war und sich die zusätzliche Ausrüstung angelegt hatte, schaute er Mogda an und nickte.
»Kann losgehen«, sagte er.
Der Oger würdigte seinen Mut mit einem zufriedenen Brummen.
Barrasch machte sich an dem Mechanismus zu schaffen und zog die Kette Fuß um Fuß nach unten. Große und kleine Zahnräder griffen ineinander, bewegten Kolben, die in der Decke verschwanden, und öffneten, fast wie von Geisterhand, die beiden Flügel des Portals. Die Kette rastete ein, und eine andere Mechanik, die hinter den Wänden versteckt war, übernahm die restliche Arbeit.
Durch den ersten schmalen Spalt erkannte Mogda, dass auch die Gewölbe dahinter nicht beleuchtet waren. Eng pressten sich die vier Gefährten in den Schutz des hölzernen Bollwerkes. Dann endlich war der Spalt so breit, dass sie hindurch konnten. Mit gezücktem Schwert in der einen und einer brennenden Fackel in der anderen Hand lag es an Mogda die Vorhut zu bilden. Er stürmte hinein, dicht gefolgt von den anderen, und brach schon nach wenigen Schritten seinen Sturmangriff wieder ab. Fassungslos beäugte er den großen Saal, der sich vor ihm auftat. Hunderte Zwergenkrieger lagen niedergemetzelt am Boden. Nirgends war eine Bewegung zu erkennen, die darauf hoffen ließ, einen Überlebenden der Schlacht zu finden. Kaum einen Schritt konnten die vier wagen, ohne in eine Blutlache zu treten. Von ihren dunklen Angreifern fehlte weiterhin jede Spur. Zwischen all den toten Zwergen lag kein einziges dieser Wesen.
»Das können sie nicht getan haben, ohne selbst große Verluste hinzunehmen«, sagte Mogda. »Irgendwo müssen ihre Leichen sein.«
Er hörte, wie hinter ihm jemand zu Boden stürzte. Mit ausgestreckten Armen fuhr er kampfbereit herum. Cindiel lag regungslos zu seinen Füßen. Barrasch kniet dicht hinter ihr und presste ihr eine Hand gegen den Hals. Von Finnegan fehlte jede Spur. Zwei Gestalten lösten sich aus dem Schatten eines Pfeilers und traten in den schwachen Schein der Fackel. Sie hoben drohend ihre Blasrohre, und noch bevor Mogda reagieren konnte, feuerten sie die ersten Giftdornen ab. Einer der kleinen Splitter blieb im Zwergenschild stecken, der andere traf ihn an der Schulter.
Mogda
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