Der Rucksackmörder
mich seit diesem Vorfall von ihm fern gehalten.«
Ivan Milats kriminelle Karriere
Wir sind im Jahr 1974. Ein exklusiver Geländewagen, ein weißer Nissan 4x4 Patrol mit dunklen Thermofenstern fährt den Highway von Queensland Richtung Sydney entlang.
Lässig den Arm auf das Seitenfenster gelehnt, hält der Fahrer Ausschau nach jungen Mädchen. Er sieht gut aus, sein schwarzer Schnauzer verleiht ihm einen sinnlichen Mund. Die stahlblauen Augen, die tiefschwarzen Haare und der große Wagen lassen die Herzen der jungen Mädchen höher schlagen.
Er winkt ihnen zu, lächelt sie an, doch er hat keine Zeit, er ist in Eile.
Dieses Lächeln, das er den Mädchen zuwirft, ist gespielt.
Sein Blick ist ständig auf den Rückspiegel gerichtet, und er ist darauf bedacht, die Geschwindigkeitsbegrenzungen genauestens einzuhalten. Er will unbedingt vermeiden, in eine Polizeistreife zu geraten, denn er ist auf der Flucht. Es ist Ivan Milat, der von der Polizei seit 1971 – das ist nun über zweieinhalb Jahre her – gesucht wird. Man wirft ihm bewaffnete Überfälle und schweren Raub vor, begangen mit seinem Bruder Mike, der seit dieser Zeit im Gefängnis einsitzt.
Der Wagen, den er fährt, ist registriert unter dem Namen seines Bruders Michael Gordon Milat, der ihm wie ein Zwillingsbruder ähnelt. Auch der Führerschein, den er bei sich trägt, ist der seines Bruders. Er ist schon in einige Kontrollen der Polizei geraten, doch sein Bruder, mit dessen Führerschein er sich dabei ausweist, ist ein unbeschriebenes Blatt. Deshalb gelingt es ihm immer wieder, den Klauen der Justiz zu entkommen. Niemals über all die lange Zeit war er in der Nähe seines Wohnsitzes gesehen worden. Milat tauchte in Neuseeland und in den Großstädten unter, wo man ihn nicht kannte. Sein Ziel an diesem Tag lässt ihn alle Vorsicht vergessen. Nie hätte er diese Fahrtroute genommen.
Nie wäre er das Risiko eingegangen, entdeckt zu werden, wenn nicht seine Mutter Margaret ins Krankenhaus eingeliefert worden wäre.
Sie liegt im zehnten Stock des Krankenhauses, und die Ärzte vermuten, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Ihre Hüften sind durch die jahrzehntelange schwere Arbeit schwer geschädigt, und ihr Herz bereitet ihr große Probleme. All ihre Kinder und Enkel haben sich an ihrem Krankenbett versammelt, nur Ivan fehlt. Niemand glaubt dass er es wagen würde, seine Mutter an diesem Tage zu besuchen. Doch sie sollten sich irren.
Unter den Besuchern am Krankenbett der Mutter befindet sich auch Milats Bruder Boris mit seiner Frau und seiner Tochter Lenes. Er ist froh, dass Ivan nicht im Krankenhaus aufgetaucht ist. Die ganze Familie weiß, dass Ivan mit der Frau seines Bruders Boris ein Verhältnis hatte, und hinter vorgehaltener Hand munkelt man, dass Lenes das Kind von Ivan ist. Boris hatte es als sein eigenes anerkannt, obwohl er in der Zeit als das Kind gezeugt wurde, im Gefängnis saß. Dafür hasste er seinen Bruder.
Plötzlich öffnet sich die Türe des Krankenzimmers, und Ivan erscheint. Er bleibt in der weit geöffneten Türe stehen und lächelt seine Mutter an, als wollte er sagen: »Siehst du, ich bin doch gekommen!« Es dauert einige Zeit, bis er auch die anderen Besucher begrüßt. Die Türe zum Krankenzimmer braucht er nicht mehr zu schließen, das erledigt sein Bruder Boris, der zusammen mit seiner Frau den Raum verlässt. Ivan selbst nimmt dies jedoch nicht zur Kenntnis, er ist viel zu sehr mit seiner kranken Mutter beschäftigt. Er lässt alle Vorsicht außer Acht. Es interessiert ihn nicht ob ein Arzt oder eine Krankenschwester das Zimmer betritt und ihn erkennen könnte.
Er will nur seine kranke Mutter in den Armen halten, die immer für ihn da war.
Niemand der Anwesenden sieht aus dem Fenster, die Geschwister haben nur Augen für ihren Bruder Ivan. So sieht niemand, wie ein riesiges Polizeiaufgebot das Krankenhaus umstellt. Unzählige Streifenwagen versperren die anliegenden Straßen. Selbst Scharfschützen werden an den Ausgängen des Krankenhauses postiert. Man will sichergehen, dass der Gesuchte nicht entfliehen kann.
Ivan Milat wird festgenommen und im Dezember 1974 für nicht schuldig befunden, die ihm zur Last gelegten Raubüberfälle begangen zu haben.
Ivans Kindheit und Jugend
Ivan Milat war es immer wieder gelungen, durch die Maschen des Gesetzes zu schlüpfen. Die Kautionszahlungen seiner Familie und das geschickte Taktieren seiner Anwälte halfen ihm jedes Mal aus der Klemme. So lebte Ivan Milat durch seine
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